Die Universität Mannheim residiert im Mannheimer Schloss. Wer „RadioAktiv“, den Studentensender sucht, findet ihn allerdings weder im barocken Hauptgebäude, noch im postmodernen Verfügungsbau daneben, sondern zwei Blocks weiter in zwei kleinen Dachkammern. Rechts steht „Achtung Sendung“, hier sind das Studio, aber auch ein Schnittplatz und der Rechner der Techniker untergebracht. Links geht es in das Büro, in dem noch zwei weitere Schnittplätze stehen.
Montags nachmittags herrscht hier emsige Arbeitsatmosphäre. „RadioAktiv“ teilt sich eine UKW-Frequenz mit dem ebenfalls in Mannheim ansässigen Bermudafunk, um 18 Uhr gehen die Campus-Charts von RadioAktiv on air. Christian Geiser, der Moderator, hört CDs und nimmt letzte Änderungen am Sendeablauf vor. Philipp Ost, der Vorsitzende des Trägervereins, definiert seinen Sender: „Wir sind Nichtkommerzielles Lokalradio auf der einen und Campusradio auf der anderen Seite.“ Service für die Studierenden der Mannheimer und Heidelberger Universitäten und der Fachhochschulen in der Region wird groß geschrieben, Informationen über das Leben in den Städten des Rhein-Neckar-Dreiecks inbegriffen. „Die Universität Mannheim stellt uns diese Räume zur Verfügung, ansonsten finanzieren wir uns aus Zuschüssen, z. B. der LfK, aus Beiträgen und aus unseren Parties.“ Zur letzten RadioAktiv-Party im Schneckenhof des Mannheimer Schlosses kamen 3.000 Leute. Nur mit Hilfe dieser Aktionen kann das Radio seine laufenden Kosten decken. Niemand bezieht ein Gehalt. Für die technische Ausstattung müssen Zuschüsse oder Spenden eingeworben werden.
„Cool edit“ heißt die Tonbearbeitungs-Software auf den Schnittrechnern, und Radio machen ist offensichtlich so cool, dass die Hilfswilligen den Vereinsaktiven die Tür einrennen. „Es ist in unseren Räumen nicht so einfach zu verkraften, wenn 15 Personen zum Schnuppertag kommen,“ meint Alexander Marquardt, der Ausbildungsredakteur des Senders. „Wichtig ist es, dass von den 15 auch beim zweiten Mal noch 8 kommen,“ entgegnet Philipp Ost. Für diese 8 beginnt eine Schulungszeit, die zwischen 4 und 8 Wochen dauern kann, bevor jemand alleine ans Pult und ans Mikrofon gelassen wird. „SWR3 liegt auf der UKW-Skala direkt nebenan. Wir können uns immer gut vergleichen,“ meint Alexander Marquardt. Insbesondere in der Morningshow „Campus-Wecker“ montags bis donnerstags ab 7 Uhr wird auf Qualität und Routine Wert gelegt. Zwischen 18 und 20 Uhr laufen vor allem Musik-Specials: „Tinnitus“ ist für Metal zuständig, „Elektroschock“ für „gepflegte Elektronik“. Die lange Nachmittags-Sendefläche am Donnerstag wird vor allem von Neulingen und Initiativgruppen genutzt, auch vom Sender initiierte Schülerradiogruppen gehen hier auf Sendung. Insgesamt 40 Stunden pro Woche sendet RadioAktiv, die „Lücken dazwischen“ füllt Bermudafunk.
Das Verhältnis zum vergleichsweise spontimäßig organisierten freien Radio ist von gegenseitiger Akzeptanz geprägt. „Die wollen mehr Zeit, wir auch, aber wir haben uns geeinigt.“ RadioAktiv hält sich an professionelle Standards – besonders heftig wird gejingelt, kurz bevor zu Bermudafunk umgeschaltet resp. kurz nachdem RadioAktiv wieder dran ist. Bei Bermudafunk spielen Freaks ihre Lieblings-LPs, bei RadioAktiv kommt die Musik weitgehend in Form von MP3-Files aus dem Rechner. Bermudafunk ist in Gruppen organisiert, bei RadioAktiv überwachen 4 Chefredakteure den Sendebetrieb, die redaktionelle Arbeit ist in Ressorts gegliedert. „Einige ehemalige RadioAktiv-Leute sind zu professionellen Radiosendern gegangen,“ sagt Alexander Marquardt. Qualifizierung ist ein wichtiges Ziel, aber sicher nicht das einzige Motiv der Sender-Crew. Der ehrenamtliche Aufbau und Betrieb eines eigenen Senders verlangt hohe Motivation, aber er gibt auch viel. Zurückhaltend antwortet Philipp Ost auf die Frage nach dem eigenen Zeitaufwand, während Alexander Marquardt freimütig bekennt: „Es gab eine Zeit, da hätte ich hier nur noch eine Matratze gebraucht. Aber in dieser Zeit habe ich auch nach der Devise gelebt: Mehr als 3 Stunden Schlaf braucht der Mensch nicht.“
RadioAktiv hat keinen Mangel an Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen (der Frauenanteil ist allerdings unter Parität). Marketingmäßig ist das Campusradio ein voller Erfolg. Lästig ist nur, dass die Fans den Sender nicht gerade gut empfangen können. Die Heidelberger UKW-Frequenz ist zu schwach; wegen der beantragten zusätzlichen Frequenz gibt es Einsprüche seitens des SWR. Kabelverbreitung und Internetstreaming sind da nur ein schwacher Trost.
Author: Hans-Uwe Daumann
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