Der Mann hat Sprüche auf Lager: „Das klassische Fernsehen ist in fünf Jahren tot.“ „Wer jetzt nicht lernt, mit der digitalen Kamera zu filmen und am Laptop zu schneiden, wird in fünf Jahren arbeitslos sein.“ Mit plakativen Thesen verstört er die Studierenden der Bayrischen Akademie für Fernsehen. Oder er provoziert die Mitarbeiter des ZDF-Hauptstadtstudios, das über 16 Kameraeinheiten gebietet: „Jeder Redakteur sollte eine eigene Kamera haben, rausgehen und drehen. Dann hätten wir spannendes Fernsehen.“ Michael Rosenblum ist auf Tournee durch Deutschland. Der New Yorker Videojournalist und frühere CBS-Producer ist ein „TV-Missionar“ (Süddeutsche Zeitung). 1988 fertigte er erstmals als 1-Mann-Team eine Videoreportage (im Gaza-Streifen), nach dem großen Erfolg seiner Produktionen stand er Pate bei der Gründung neuartiger Sender wie New York Times TV in den USA und TV3 in Schweden. In Deutschland trifft er auf (teilweise) ungläubige Zuhörer. Videojournalismus gilt hierzulande als Zeichen von Armut. Der Bayrische Rundfunk hat vor 8 Jahren seine fränkischen Hörfunkreporter mit Videokameras ausgerüstet; das wurde als Anpassung an kommerzialisierte Billig-Produktionsstandards kritisiert. Tatsächlich sind kommerzielle Regionalsender wie Baden-TV, Hamburg 1 und TV Berlin die deutschen Vorreiter des Videojournalismus, ihre Gemeinsamkeit: Alle drei befinden sich derzeit in Insolvenz.
Still und leise werden die schnellen, direkten, unaufwändigen Videos gesellschafts-, sprich: vollprogrammfähig. Südwest Fernsehen, hessen fernsehen und 3SAT zeigen schon eine Vielzahl von Beiträgen, denen man ansieht und ansehen soll, dass sie nicht von einem Standard-Dreimannteam gedreht wurden. Der Videojournalist wirkt subjektiver, direkter, authentischer und kommt näher an die Gegenstände seines Interesses heran. Jeder kann so Filme fürs Fernsehen machen, meint Michael Rosenblum: „Wir stehen an der Schwelle zur Demokratisierung des Fernsehens.“ Spätestens hier schließen die Propagandisten Offener Kanäle den New Yorker in ihre Herzen. „14-Jährige machen die besten Filme“ – Wenn sowas ein US-amerikanischer TV-Professional sagt, dann ist das Balsam für verwundete OK-Seelen. Michael Rosenblum will aber die großen TV-Sender ändern. Der Mann mit der Vision wünscht sich spannendere Geschichten in den Hauptprogrammen. Seine Zuhörer nehmen vor allem das Einsparpotenzial wahr. Für die Regionalstudios von hessen fernsehen formuliert es der Redaktionsleiter Jan Metzger: „Normale Kamerateams extra rauszuschicken ist viel zu zeitaufwändig und teuer.“ „Das klassische Fernsehen ist in fünf Jahren tot“? Wir reden 2007 wieder darüber.
Author: Hans-Uwe Daumann
E-Mail: redaktion@connex-magazin.de