Der 1. „Dialog Bürgermedien“ im Zeichen des Umbruchs

Bürgerfunk im Umbruch

 

Mit dem Start des privaten Fernsehens in Deutschland begann auch die Zeit der offenen Kanäle und des Bürgerfunks. Seit 15 Jahren nehmen medieninteressierte Bürger die Möglichkeiten wahr, ihr eigenes Radio- oder Fernsehprogramm zu gestalten. Die Bürgerfunker sehen sich allerdings heute einer veränderten, digitalisierten Medienlandschaft gegenüber, in der es ums Überleben für die Bürgermedien geht. Das zeigte sich auch beim „Dialog Bürgermedien“, der vom 28. bis 30. April im DGB Bildungszentrum in Hattingen stattfand. Eingeladen hatten zum elften Mal die Landesanstalt für Medien NRW (LfM) und das DGB-Bildungswerk.

95 Teilnehmer nahmen die Möglichkeit war, in Hattingen über die Situation der Bürgermedien zu diskutieren und sich auszutauschen. Karlheinz Grieger vom DGB-Bildungswerk wertete die hohe Teilnehmerzahl in seiner Begrüßung als Indiz für den Bedarf einer Auseinandersetzung zwischen Bürgerfunkern und der Landesmedienanstalt. Grundtenor war, dass sich die Bürgermedien ändern müssen, um nicht abgeschafft zu werden.

 

Nesthäkchen und Pubertierende


Die Notwendigkeit für einen Wandel der Bürgermedien wird nicht zuletzt durch das vor neun Monaten novellierte Landesmediengesetz in Nordrhein-Westfalen deutlich. Zum ersten Mal werden alle zugangsoffenen Formen des Rundfunks in einem eigenen Abschnitt zusammengefasst, angefangen vom, wie Dr. Jürgen Brautmeier (Stellvertreter des LfM-Direktors) es bezeichnete, „Nesthäkchen“ Campus-Radio bis hin zu dem bereits „in der Pubertät“ befindlichen Bürgerfernsehen und -radio. Das neue Gesetz verdeutlicht, dass die Bürgermedien neben der Förderung der Medienbeteiligung der Bürger auch einen Beitrag zur Vermittlung von Medienkompetenz leisten sollen. Im Vordergrund steht die Zusammenarbeit der verschiedenen Bürgermedien, deren Vernetzung und die Erprobung neuer Verbreitungsplattformen wie zum Beispiel des Internet. Unter diesen Voraussetzungen richtete sich auch die Tagung in Hattingen neu aus. Aus dem über zehn Jahre geltenden Motto „(Ohn)Macht im Äther“ wurde der „Dialog Bürgermedien“. Zum ersten Mal sollte die komplette Medienpartizipation abgedeckt werden.

 

Dabei sein

 

Die diesjährige Tagung stand unter dem Leitmotiv „Integration von Partizipation und Medienkompetenz“. Dabei wurden auch die Defizite der Bürgermedien nicht außer Acht gelassen. Gerade die mediale Inkompetenz, die bisweilen mancher Sender trotz zahlreicher Qualifizierungsangebote an den Tag legt, führe laut Prof. Dr. Helmut Volpers von der Fachhochschule Köln zu einem Abschaltimpuls. Und dieser wiederum sei ein Indiz für die mangelnde Akzeptanz der Bürgermedien in der Bevölkerung.

Auch die Zunahme des Spaßfaktors wurde diskutiert. Über sechzig Prozent der Programme im Hörfunk sind Musikprogramme. Der eigentliche Anspruch der Bürgermedien, durch Teilnahme Einfluss zu nehmen, gehe bei reinen Musikprogrammen natürlich verloren. Zudem verändere das Internet die Medienproduktion fundamental, so der Tenor. Hierin sahen die Teilnehmer sowohl Chancen als auch Gefahren. Die multimedialen Funktionen des World Wide Web können die Defizite des traditionellen Rundfunks kompensieren oder aber dazu führen, dass die klassischen Ansprüche, den Bürgern freien Zugang zu den Medien zu gewährleisten, weiter an Bedeutung verlieren.

Vernetzung und Internet

Die Bildung lokaler Netzwerke, in denen die einzelnen Bürgermedien kooperativ arbeiten sollen, war ein Schwerpunkt der Tagung. Unter anderem wurde die Arbeit des Medienkompetenznetzwerks (MKN) Eifel vorgestellt. „Die Vernetzung soll dem Bürger den Zugang zu den Medien erleichtern“, erklärt Dr. Wilfried Schmid, zuständig für die Bürgermedien bei der LfM. Das MKN Eifel deckt alle Medien vom Fernsehen über Radio und Zeitung bis hin zum Internet ab und bietet so Transparenz im Mediendschungel.


Im Workshop „Lokale Netzwerke“ wurde der Offene Kanal Bielefeld als positives Beispiel vorgestellt. Aus den anfänglichen drei bis vier Radiowerkstätten hat sich über die Jahre ein Netzwerk gebildet, in dem soziale, öffentliche und universitäre Einrichtungen aktiv sind. Die Bürgerfunker erhoffen sich von solchen Netzwerken Synergieeffekte und eine Qualitätssteigerung. Lokale Netzwerke ermöglichen darüber hinaus, dass auch kleinere Arbeitsgruppen überleben können.

Doch die Tagungsteilnehmer sind sich auch der Risiken bewusst. Nach dem Motto „Der Große schluckt den Kleinen“ wird ein Identitätsverlust befürchtet. Die Konsequenz: Nur ein einheitliches Auftreten in der Öffentlichkeit kann das Interesse der Bevölkerung an den Bürgermedien verstärken.

 

Förderung ist ein heißes Eisen

 

Allen Anwesenden war klar, dass die Vernetzung der Medien und die gesteigerte Nutzung des Internets mit einem höheren Einsatz an Personal einhergeht, was wiederum eine Geldfrage ist. In den Diskussionen und Referaten kam das Thema Förderung der Bürgermedien denn auch immer wieder zum Vorschein. Den Vorwurf, die LfM hätte die Förderung von 2,4 Millionen Euro auf 1,9 Millionen Euro zurückgeschraubt, wies Wolfgang Hahn-Cremer, Vorsitzender der Medienkommission der LfM, zurück. Die Mittel seien von der Projekt- zur Netzwerkförderung umstrukturiert und „maßvoll erhöht“ worden.

 

Besinnung aufs Wesentliche

 

Die Forderung nach mehr Geld bestätigt nach Meinung von Prof. Dr. Volpers seine Theorie der schleichenden Kommerzialisierung der Bürgermedien. Man müsse wieder zurück zum Eigentlichen, so Volpers.

Die Teilnehmer des „Dialogs Bürgermedien“ nutzten die Gelegenheit, sich über bereits laufende Projekte wie den von Kindern für Kinder produzierten Fernsehkanal [i:si] oder den Ausbildungs- und Erprobungskanal des Dortmunder Medienkompetenz-Zentrums (DOM) zu informieren und neue Ideen für die Zukunft der Bürgermedien zu entwickeln. „Ich denke, es wurden spannende Projekte vorgestellt und in den Ideenwerkstätten wichtige Anregungen gegeben“, zieht Wilfried Schmid von der LfM ein Fazit des ersten „Dialog Bürgermedien“ in Hattingen.

 

Foto: Mark Hankmann

Author: Mark Hankmann / LfM funkfenster
E-Mail: hankmann@mh-media.biz

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