Am 29. April 2003 hat der Senat der Hansestadt Hamburg den Entwurf eines neuen Hamburgischen Mediengesetzes beschlossen. In der Pressemitteilung dazu heißt es: „Wesentlich sind vor allem auch Änderungen zum Offenen Kanal: Der Betrieb des bisherigen Offenen Kanal in Trägerschaft der HAM wird mit Inkrafttreten des Gesetzes beendet. An seine Stelle tritt ein von der Hamburg Media School (HMS) betriebener Bürger- und Ausbildungskanal. Dessen Einbeziehung in die Ausbildungsgänge einer Medienschule wird eine wesentliche Verbesserung entsprechender Fachausbildung in Hamburg bedeuten. Nach dem Gesetzentwurf wird es auch in Zukunft Bürgerbeteiligung an einem solchen Kanal geben; beispielsweise zu Themen wie „Kinder und Jugend“, „Integration“ und „Stadtteilkultur“. Der Senat geht davon aus, dass die neuen Angebote sinnvoller als bisher den Bedürfnissen einer komplexen, modernen Gesellschaft in einer Großstadt wie Hamburg, aber auch den professionellen Ausbildungsangeboten einer auf Zukunft gerichteten Hamburg Media School entsprechen.“
Burkhard Müller-Sönksen, Fraktionschef der FDP in der Hamburger Bürgerschaft, ist einer der Promotoren des neuen Mediengesetzes, das demnächst in der Bürgerschaft verabschiedet und zum 1. Juli 2003 in Kraft treten soll. Es schaffe die „attraktivsten Rahmenbedingungen für private Rundfunkanbieter“, wird Müller-Sönksen in der Süddeutschen Zeitung zitiert.
Leo Hansen, Leiter der Offenen Kanäle Hörfunk und Fernsehen in der Trägerschaft der Hamburgischen Anstalt für neue Medien (HAM) hat in den vergangenen Jahren mit seinen MitarbeiterInnen attraktive Rahmenbedingungen für zuhörer-/zuschauerorientierte Bürgerkommunikation geschaffen: Programmstrukturen, Redaktionsgruppen, zielgerichtete Öffentlichkeitsarbeit und bundesweit beachtete Medienkompetenzprojekte wie „Fischbrötchen-TV“ und „isi:tv“. Die Hamburger Medienpolitiker hindert das nicht daran, beide Offene Kanäle zu schließen – um sie nach einer Sendepause als konzeptionell neu ausgerichtete „Ausbildungs- und Bürgerkanäle“ neu auferstehen zu lassen.
Träger der ABKs wird die neu gegründete „Hamburg Media School“ (HMS). In der Hochschule arbeiten die Stadt Hamburg mit Medienunternehmen wie dem Axel Springer Verlag und dem Heinrich Bauer Verlag zusammen. Der Gründungsgeschäftsführer Jan Henne de Dijn startet im Herbst 2003 mit 20 Studierenden und dem zweijährigen Aufbaustudium „Medienmanagement“. Ausbildungsgänge im Nachrichten- und im Werbebereich sollen hinzukommen; die Studiengebühren belaufen sich auf 12.500 Euro im Jahr. Die Hamburg Media School sorgt für Aufregung in den vorhandenen Institutionen der Medienausbildung: Der von dem Hamburger Regisseur Hark Bohm aufgebaute Filmstudiengang geht definitiv in die Trägerschaft der HMS über (hier soll allerdings auf Studiengebühren verzichtet werden), für die journalistischen Studiengänge der Hamburger Universität ist das gleiche in der Diskussion.
Die Verfügung über eine UKW-Hörfunkfrequenz und einen Fernsehkanal im Kabel passt der Hamburg Media School offenbar gut ins Konzept, auch wenn sie für die Ausbildungseinrichtung etwas überraschend kam. Geplant ist allerdings, nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes die Offenen Kanäle erst einmal stillzulegen. Die Nachdenkpause wird damit begründet, dass die geplanten „Ausbildungs- und Bürgerkanäle“ mit völlig neuem Konzept und Image starten sollen. Es ist daher kaum zu erwarten, dass mehr als Spurenelemente von der Idee und der Praxis Offener Kanäle erhalten bleiben werden.
Überrascht von der Vorgehensweise des Hamburger Senats ist vor allem die Hauptbetroffene, die Hamburgische Anstalt für neue Medien (HAM). Einzelheiten über das geplante neue Gesetz erfuhren die HAM-Beschäftigten aus der Presse: Trotz Nachfragen seien ihnen, so HAM-Direktor Lothar Jene, aus dem Hamburger Rathaus bisher nur „Eckpunkte“ mitgeteilt worden. Kein Wunder, lässt sich doch FDP-Fraktionschef Müller-Sönksen im Focus zitieren: „Das Mediengesetz ist die Vorstufe zur Abschaffung der Anstalt“. Eine der Nebenwirkungen: Alle OK-Arbeitsplätze und mit ihnen der überwiegende Teil der HAM sind derzeit akut bedroht.
Author: Hans-Uwe Daumann
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