Studenten der Medienpädagogik gehen auf Sendung

„Unser Studiogast heute der neue Pop- und Rockmusikbeauftragte in Mannheim, Markus Sprengler. Am Mikrophon Conny Matz und Andrea Gebefügi von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg.“ Mikro 1-Regler runter, CD1-Regler hoch. Sprachens und waren auf Sendung. Oder wie die Radiomacher sagen: Sie waren On Air. Die beiden Studentinnen gehören zu einem von fünf Radio-Projektteams, die zur Zeit in einem Hörfunk-Seminar an der PH Heidelberg gecoacht werden.
 
Ihre erste Aufgabe: Konzipieren und Produzieren einer einstündigen Sendung mit einem Studiogast. Dazu  Beiträge, Umfragen. 40 Minuten Musik, Wortanteil 20 Minuten, in 5 Blöcken à 4 Minuten. Eine Sendung endet gnadenlos auf die Sekunde, da gibt es kein pädagogisches Erbarmen. Denn es geht nicht um Simulation, sondern um den Ernstfall: Um Live-Radio im lokalen Freien Radio Rhein Neckar bermuda.funk, ausgestrahlt im Rhein-Neckar-Dreieck zwischen Weinheim und Walldorf, Ludwigshafen und Heidelberg. Terrestrisch per Antenne auf Welle 105.4, im Kabel und per Streaming im Internet. 

Prof. Dr. Thorsten Lorenz hat  dieses Radioprojekt im Bereich Medienpädagogik entworfen und mit Hilfe seines Tutors Timo Fenske auf den Weg gebracht. 20 Studenten trainiert Thorsten Lorenz zur Zeit als Radiomacher. Trainingszentrum ist das AVZ in der Pädagogischen  Hochschule Heidelberg. Simuliert wird das Sendestudio und ein Empfangsraum. Wirft man einen Blick in die Trainingssituation, so muss man fast Mitleid haben: Die StudentInnen sind aufgeregt, leichtes Zittern in Stimmen und Händen erinnern an Prüfungssituationen. Doch man lernt schnell. Das fängt bei der Korrektur von Stimmhöhe, Sprechgeschwindigkeit, Ausdruck an. Schriftsprache und Besinnungsaufsätze haben hier nichts zu suchen, geschrieben wird auf Mündlichkeit. Das hat niemand gelernt. 

Die Studentinnen haben spannende Themen gewählt. Doch viele davon wurden vom Dozenten nicht akzeptiert. Nur im ersten Moment war dies eine Enttäuschung, aber die Studenten lernen voneinander: Radiomachen ist kein Selbsterfahrungs-Experiment, sondern zielgruppenorientiert. Das betrifft die Themen, die Aufmachung, die Musikauswahl. Eingeladen wird ein Rockpfarrer, der seine Kirche für ungewöhnliche Programme öffnet. Zwei Tage später dann der Direktor eines Heidelberger Off-Theaters zur Frage der Theatersituation und der Regie mit Laienschauspielern. Kurze Zeit später erscheinen auf Einladung der StudentInnen die Preisträger des Wettbewerbs New Sounds at Mannheim 2001 – der Hinweis auf den Rockbeauftragten der Stadt Mannheim liegt nahe. Dazwischen Service-Tipps für die Region. Und: Befragt werden Gefängnisdirektoren zum Thema Jugendliche im Strafvollzug.

 

Das Sendestudio in der Feuerwache Mannheim ist eng: 2 Mikros, 10 Regler, Terminal, Zuspielgeräte, nur das klassische Rotlicht fehlt. Timo Fenske weist die neuen ModeratorInnen in die Technik ein. Simpel, einfach. Aber: Der erste Fehler nach 1 Sekunde: Die Stimme zu schwach, zu weit weg vom Mikro. Das kann man 10mal trainieren, und das ist 100 mal zu wenig. Die Korrektur erfolgt sofort. 

Gerade die Lockerheit, das Souveräne im Gespräch, ist hohe Kunst, nicht naturgegeben. Gesprächsführung, Verlinkung von Aspekten, Fragetechniken, Intervention, Nachfragen mit Paraphrasen, Metaphern undundund …  Und auf einmal wird klar: Nichts anderes muss auch eine Lehrerin und ein Lehrer beherrschen. Der diffuse Anspruch von Kommunikationskompetenz: Hier wird er konkret. Und manch ein Student wird träumen: Lehrer sind die geborenen Moderatoren. War Thomas Gottschalk nicht auch Grundschullehrer? Es darf bescheidener sein.

Fünf Sendungen à 1 Stunde werden in den ersten 8 Wochen produziert. Im Februar 2004 wird dann ein gemeinsames Magazin mit Beiträgen gesendet. Sendedauer: 2 Stunden. Und die Studenten lernen dabei auch gleich neue Digital-Techniken: Der Umgang mit MiniDiscs ist einfach, mit dem Mikrophon nicht. Schneiden und mischen mit Multitrack für Anfänger problemlos, der richtige Pegel bei der Aufnahme nicht. Unangenehme Regel: Inhalt geht nicht immer vor technischer Qualität. Denn schließlich wird hier nicht Radio simuliert, sondern produziert.  

 

Die letzte, sehr kontroverse Diskussionssendung geht zu Ende. „Unser Thema heute war: Steht uns in Heidelberg und Mannheim eine Flutkatastrophe bevor?  Das war eine Sendung im bermuda.funk, mit Studenten der Medienpädagogik der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Am Mikrophon verabschieden sich …..“ Mikro 1-Regler runter, CD1-Regler hoch. Und wieder wird nach 59 Minuten und 55 Sekunden die nächste Sendung gefahren. Inzwischen träumen Thorsten Lorenz, sein Tutor Timo Fenske und die StudentInnen einen Traum: Eine regelmäßige Sendung von, mit und über die Pädagogische Hochschule.

 

Die Sendetermine:
05.12.2003 16 – 17 Uhr
06.12.2003 12 – 13 Uhr
11.12.2003 21 – 22 Uhr
12.12.2003 12 – 14 Uhr

Author: Gunter Feldner / bermuda.funk
E-Mail: gunter.feldner@bermudafunk.org

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