Berlin: Studierende besetzten den Offenen Kanal

„Sehr geehrte ZuschauerInnen !  Der Offene Kanal Berlin ist seit heute 17 Uhr von Berliner Studierenden besetzt. Um 18 Uhr ist es uns gelungen, die Sendegewalt an uns zu reißen. Die Besetzung wird so lange wie möglich aufrechterhalten. Während dieser Zeit werden wir die Berliner Bevölkerung
mit aktuellen Infos zu den Studierendenprotesten versorgen.“ Mit dieser Mitteilung starteten ca. 30 Berliner Studenten eine zweitägige Sendeaktion im OK Berlin, mit der sie im Rahmen bundesweiter Proteste insbesondere gegen die Reduzierung von Studienmöglichkeiten, gegen Studiengebühren und gegen
Sparmaßnahmen an Berliner Hochschulen demonstrieren wollten.

 

Ein Großteil des „Streikprogramms mit Diskussions- und
Informationsveranstaltungen, stündlichen News, Videoclips und Theater“ im OK-Fernsehen fand live statt. Die Berliner Zuschauer beteiligten sich lebhaft und meist zustimmend an den Telefondiskussionen und unterstützten die Aktion auch auf andere Weise: „In den anderthalb Tagen wurden in
Talkshows mit hoher Anruferbeteiligung (Leitung zeitweise dauerbelegt) die Bürger darüber aufgeklärt, dass wir nicht nur für Studenten, sondern für alle sozial schwachen Menschen kämpfen. Arbeitslose, Rentner, Verdi-Gewerkschafter, … wir hatten viele Gäste! Die Solidarität der
Anrufer war unglaublich! Es kamen Leute mit Getränken und Nahrungsmitteln vorbei, ein Pizzaservice spendete uns kartonweise Pizza³, schrieb ein Teilnehmer in einem unter http://www.indymedia.org eingerichteten Forum. Enttäuschend für die Aktivisten war jedoch die Reaktion der eingeladenen Politiker: Keiner kam ins Studio; der FU-Präsident und der Bildungssenator waren nur im Rahmen einer Veranstaltungsaufzeichnung präsent. Mit aktuellen
Videobeiträgen informierte die Besetzergruppe beispielsweise über die vorangegangenen Aktionen bei der „Tageszeitung“ und bei einer Berliner Bank sowie den „Besuch bei Klaus Wowereit“. Nach 30 Stunden endete die OK-Besetzung „friedlich und ohne Polizei“.

 

Die von der erzwungenen Programmänderung Betroffenen reagierten unterschiedlich. Während der Musikshowproduzent Dieter Dost kurzerhand seine
Pläne änderte und die Protestler integrierte, informierte Andreas Weiß, der sich durch den Ausfall einer Folge seiner schwul-lesbischen Soap „Berlin Bohème“ geschädigt sieht, erst die Polizei und dann die Staatsanwaltschaft. Er will
geprüft sehen, ob sich OK-MitarbeiterInnen möglicherweise strafbar gemacht haben könnten. Gegenstand von Spekulationen und von vereinzelter Kritik war es insbesondere, ob es sich bei der Duldung der Aktion durch die MitarbeiterInnen und den Leiter des Offenen Kanals etwa um mehr, nämlich um eine abgesprochene „Kooperation“ oder gar um eine „Inszenierung“ (Andreas Weiß) handele.

 

BesetzerInnen teilten jedenfalls nach dem Ende der Aktion mit, das sie sich „auf die Gründung einer AG ‚Besetzter Kanal (Berlin)'“ verständigt hätten, um weitere Aktionen zu planen.

Author: Hans-Uwe Daumann
E-Mail: redaktion@connex-magazin.de

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