Man nehme: Einen Standard-PC und die OK-übliche Rolltitel-Software Scala MM 200, gebe eine MPEG2-Karte dazu, eine ISDN-Karte, einen Tonwahl-Decoder, eine Soundkarte und ein Funkuhr-Modul, programmiere ein wenig, und fertig ist das Video-On-Demand-System, Marke Eigenbau. Wer die Telefonnummer 290673 in Speyer am Rhein wählt, kann tastengesteuert unter (zur Zeit) 43 Beiträgen des Offenen Kanals wählen, und falls nicht gerade ein anderes Video läuft, wird der Wunschfilm des Anrufers sofort im Offenen Kanal zu sehen sein. Das Speyerer System ist überaus erfolgreich; zur Zeit sendet der Video-on-Demand-PC durchschnittlich ca. 3 Stunden pro Tag, weit mehr, als die „reguläre“ Erstsendezeit des Offenen Kanals beträgt.
Wolfgang Schuch, Tüftler und Speyerer OK-Vorsitzender, und sein Stellvertreter Franz Ganninger gaben sich beim „Tag der Offenen Kanäle“ am 20. März 2004 in Ludwigshafen alle Mühe, ihr Rezept in allen Einzelheiten zu erklären; trotzdem blieb es für die meisten der ca. 50 faszinierten Zuhörer geheimnisvoll. Das Arbeiten mit Scala-Scripts sei „schwierig“, gab der Entwickler Schuch zu verstehen. Insofern sei die Wunschfilmbox nicht so einfach in andere Bürgersender zu transportieren. Inspiriert wurde Schuch vom Hotelfernsehen, wie er es im Italienurlaub kennen gelernt hatte.
Wie allen rheinland-pfälzischen Bürgerfernsehsendern steht auch dem in Speyer rund um die Uhr ein Kabelkanal zur Verfügung, die ehrenamtliche OK-Crew sendet jedoch nur an drei Abenden pro Woche. In den Sommerferien 2003 wurde das selbst entwickelte Video-On-Demand erprobt, ab September lief in Speyer der Regelbetrieb; mit ständig wachsenden Nutzungszahlen. Verschiedene Nutzergruppen hat der Speyerer OK-Chef Wolfgang Schuch ausgemacht, darunter „Spieler“ und „Voyeure“ (letztere beobachten, was die „Spieler“ auf den Bildschirm zaubern). Lokales Interesse steht jedoch bei den Benutzern im Vordergrund: Am 9. Januar wurde die Neujahrsansprache des Oberbürgermeisters Werner Schineller aufgezeichnet, am 10. Januar wurde sie regulär erstgesendet, noch am gleichen Tag 3 mal „on demand“, am 11. Januar 9 mal, am 12. Januar 5 mal, danach ging die Zahl der Abrufe wieder zurück.
Lokale Inhalte sind auch das wichtigste Kriterium dafür, dass Beiträge auf das VOD-System aufgespielt werden. Aktuell sollen sie sein, qualitativ gut in Form und Inhalt (bei medienpädagogischen Projekten werden davon Abstriche gemacht) und nicht länger als 20 Minuten. Der Anspruch ist vielleicht der Grund dafür, dass die Festplatte des VOD-PCs noch nicht ausgelastet ist. Der OK-Vorstand trifft die Auswahl. Unberührt davon gilt für die „Regelsendezeit“ der offene Zugang. Beschwert hat sich bisher niemand, im Gegenteil. So viel Publikumsresonanz wie seit der Einführung von Video On Demand hatte der Offene Kanal Speyer noch o nie.
Author: Hans-Uwe Daumann
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