Zwei Väter hat der Offene Kanal Ostbelgien nach Bekunden seines Geschäftsführers Fredy Schroeder, und das sei ja ungewöhnlich genug. Zum fünften Geburtstag des deutschsprachigen einzigen Bürgerfernsehsenders Belgiens erschien fast die ganze große Familie: Onkels, Tanten, Patenonkels, Patentanten, Cousins, Cousinen, ein paar Nachbarn und auch die reiche Verwandtschaft aus dem Ausland. Im Festsaal des Hotels Tychon im Grenzort Eynatten war man zusammengekommen, um die bisherige Lebensgeschichte des jungen Jubilars Revue passieren zu lassen. Danach wurde an langen Tischen gut gegessen und getrunken, wie es sich gehört zu solchen Anlässen im Gebiet der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens.
Über das wahre Alter des Kindes könnte man streiten: In die erste Hälfte der 90er Jahre reichen die Kontakte der Belgier nach Daun und Trier zurück. Rheinland-Pfalz und die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens unterhalten eine Partnerschaft. Der damalige Medienminister der DG, Karl-Heinz Lambertz, besuchte 1994 Offene Kanäle im Nachbarland und fing Feuer. Die ersten Videoworkshops in Eupen, dem kleinstädtischen Regierungssitz der DG, fanden 1995/96 statt; Mitarbeiter der rheinland-pfälzischen Landesmedienanstalt LPR kamen als Referenten und leisteten technische Hilfe. Im November 1998 wurde die Startsendung des Offenen Kanals aufgezeichnet; der damalige LPR-Direktor Dr. Reiner Hochstein gehörte zu den Ehrengästen. Am 6. Juni 1999 ging der OK tatsächlich auf Sendung.
Auch das fünfjährige Jubiläum wurde mit zeitlichem Vorlauf am 23. April 2004 zelebriert und wird genau zum Jahrestag im Juni im ostbelgischen Kabelnetz zu sehen sein. Vieles Andere hat sich seit der Gründungszeit geändert: Mit seinem Studio ist der OK dreimal umgezogen, das Sendegebiet wuchs und soll weiter wachsen, auch einige wallonische – französischsprachige – Gemeinden können Offenen Kanal empfangen. Die OK-Sendeschleife startete in einem Dreibund mit dem wallonischen Regionalfernsehen Televestre und dem öffentlich-rechtlichen belgischen Rundfunk BRF auf einem Kanal. Inzwischen hat der Kabelkanal nur noch zwei Teilhaber, BRF und OK, und beim Jubiläum eröffnete Karl-Heinz Lambertz, der inzwischen auf eine Legislaturperiode als Ministerpräsident der DG zurückschaut, dass die Verhandlungen für einen ungeteilten Offenen Kanal im Kabel Fortschritte machen.
Gleich geblieben sind die Menschen, die den Offenen Kanal tragen: Allen voran OK-Geschäftsführer Fredy Schroeder, dahinter eine Riege von fleißigen Ehrenamtlichen, für die das Bürgerfernsehen zum wichtigsten Hobby geworden ist. Was diesen OK von vielen anderen unterscheidet: Hier wird viel im Team gearbeitet; an der Jubiläumssendung wirkten 3 Moderatoren mit: Neben Schroeder Hugo Lampertz, auch er ein Lehrer, und Siegfried Krings, ehemaliger Polizist. Ausschnitte und Interviews präsentierten sowohl die schulische Medienarbeit als Partner des OK wie auch die Präventionsbüros der Polizei, die seit einiger Zeit Spots beiliefern. Auch dieser Bürgerfernsehsender ist immer wieder Startrampe für junge Filmtalente: Zum Geburtstag gratulierten der Kameramann Laurent van Eijs und der Drehbuchautor Jeremy Hamers. Hans Engels, Direktor des öffentlich-rechtlichen Radio- und fernsehsenders BRF, flocht dem OK-Team verbale Kränze. Die Dauner OK-Seniorengruppe, quasi die Taufpaten des OK Ostbelgien, überreichte einen Präsentkorb, die Ludwigshafener LPR-Delegation hatte pfälzischen Wein mitgebracht. Auch aus Nordrhein-Westfalen, Hessen, und vom luxemburgischen Dorffernsehsender aus Trois-Vierges traten Gäste vor die Kamera. Nach fast drei Stunden endete die Liveaufzeichnung mit einem OK-Bekenntnis des Ministerpräsidenten und dem Hinweis, dass auch die Oppositionsvertreter, die den OK ehedem ablehnten, ins Lager der Befürworter übergetreten sind. Gute Zukunftsaussichten: Am Tag der Europawahl, dem 13. Juni 2004, finden auch in Belgien Regionalwahlen statt. Auch eine gegebenenfalls neue Regierungskonstellation wird den OK nicht kippen.
70.000 Menschen bewohnen das Gebiet der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, das in zwei Teile zerfällt. Die „Kulturgrenze“ zwischen dem Eupener Land und der südlich davon gelegenen Eifelregion hat die OK-Mannschaft intern problemlos überwunden. Eupener, Eynattener und Eifeler arbeiten Hand in Hand, sogar Flamen sind im Team. Der OK ist eine „Erfolgsgeschichte“ (Lambertz), gar ein „kleines Wunder“ (derselbe).
Haben die zwei Väter Wünsche für ihr Kind? Fredy Schroeder: „Wir haben genug Kameraleute, wir brauchen mehr Leute für den Schnitt und für die redaktionelle Arbeit; wir bräuchten mehr Teams“; Karl-Heinz Lambertz: „Wichtig ist, dass sich mehr Jugendliche begeistern lassen für den OK.“
Author: Hans-Uwe Daumann
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