Im Herbst letzten Jahres vereinbarten die Beauftragten für Offene Kanäle von Rheinland-Pfalz und Hessen, zum Zwecke der gegenseitigen Inspiration zwischen den Offenen Kanälen für je eine Woche Mitarbeiter auszutauschen. Vom 9. bis 14. Mai war ich der erste, der von Offenbach nach Trier reiste. Die Ankunft war schon für Sonntag verabredet, weil an diesem Tag die Trierer Basketball-Mannschaft in der Trier-Arena gegen Bonn um den Einzug ins Halbfinale der deutschen Meisterschaft kämpfte. Der OK Trier, der im selben Gebäude sitzt, zeichnete dieses Ereignis auf. Otto Scholer, der Vorsitzende des Trägervereins Offener Kanal, holte mich vom Bahnhof ab und warf mich gleich mitten ins Getümmel. Drei Studiokameras finden Anschluss in der zum OK hin verkabelten Sporthalle. Während die Halle bebte – leider verlor die Trierer Mannschaft, herrschte im Regieraum des OK konzentrierte Ruhe.
Auf diese Weise erlebte ich gleich von Anfang an, was den Hauptunterschied zwischen den rheinland-pfälzischen und hessischen Offenen Kanälen ausmacht: Im OK Trier machen nicht nur die Bürger, sondern auch die Mitarbeiter selbst Programm. Otto Scholer ist sich bewusst, dass diese Entwicklung nicht der Ur-Idee Offener Kanäle entspricht. OKs übernehmen in Rheinland-Pfalz neben der Medienkompetenzvermittlung auch die Aufgabe, lokales Fernsehen zu sein. Dies sieht Otto Scholer als zukunftsweisend. Es stärke die Akzeptanz in der Bevölkerung, wenn die Leute sehen, was in der Region passiert, und sie entwickeln das Gefühl, dass der OK etwas mit ihnen selbst zu tun hat.
Gleichzeitig bleibt der Offene Kanal Ort der Medienkompetenzvermittlung. Das heißt erstens, Bürger können dort selbst Fernsehen machen und die dafür notwendigen Qualifikationen in Schulungen erwerben. Zweitens erhalten in Trier zum großen Teil die ehrenamtlichen Mitarbeiter und Praktikanten den Betrieb aufrecht, was für sie eine ideale Vorbereitung für Medienberufe ist. Drittens initiiert und betreut der OK medienpädagogische Projekte, die in der Region stattfinden. Christian Köllmer, Regionalbeauftragter der LPR Rheinland-Pfalz und zuständig für fünf Offene Kanäle, fährt zusammen mit OK-Praktikanten im Medienmobil zu Schulen und Jugendhäusern der Region, organisiert, berät und hilft im Umgang mit der Technik.
Ich selbst war im Laufe der Woche, die ich in Trier verbrachte, bei mehreren Produktionen mit von der Partie. Am Montag begleitete ich den Schnitt eines Gartenschau-Magazins (derzeit findet in Trier die Landesgartenschau statt), das ein ehemaliger Praktikant zusammen mit drei Praktikantinnen produziert. Die Beiträge wurden mit lustigen Moderationen, interessanten Interviews und nachvertonten Bildsequenzen gewürzt. Am Dienstag nahm ich eine Diskussionsveranstaltung in der Sportakademie Trier zum Thema „Mehr Ethik im Sport“ auf. Am Mittwoch übertrug der OK sechs Stunden lang live ein Jugendsportfests aus der Arena Trier. Am Abend fuhr ich zusammen mit Christian Köllmer ins benachbarte Daun, um im dortigen Jugendhaus eine Gruppe bei der Planung eines Videos zu unterstützen, mit dem sie sich an einem Wettbewerb beteiligen wollte. Am Donnerstagabend wurde im OK unter dem Titel „Wahlzeit“ eine Studiodiskussion zur kommenden Regionalwahl in Rheinland-Pfalz produziert, wobei ich eine Kamera übernahm. Krönender Abschluss zum Thema OK als Medium regionaler Information war am Freitagvormittag eine Festveranstaltung in der Trierer Basilika, die mit zwei festen und einer mobilen Kamera dokumentiert wurde. Der Bundesverband deutscher Stiftungen verlieh den Deutschen Stifterpreis. Anwesend waren in der bis auf den letzten Platz besetzten Kirchenhalle Gerhard Schröder, Kurt Beck, Kurt Biedenkopf, Klaus Kinkel und viele andere Promis.
Die Mitarbeit vieler motivierter Praktikanten, die den OK als Durchgangsstation für ihre höher gesteckten Ziele nutzen, ermöglicht organisatorische Flexibilität und ein frisches, jugendlich-dynamisches Fernseh-Programm. Doch es gibt auch eine Kehrseite. Als Manko gegenüber den hessischen OKs, die auf Hauptamtlichkeit basieren, empfand ich, dass in Trier die Zuständigkeiten für die, ich nenne sie mal „lästigen“ Arbeiten wie Reinigung und Wartung der Technik, Instandhaltung der Ausleihgeräte, Dokumentation nicht klar geregelt sind. Entsprechend vernachlässigt ist der Zustand manches Stativs oder Kopfhörers. Auch der Kontakt mit den Kunden muss unter der fehlenden personellen Kontinuität leiden, weil es keine festen Ansprechpartner im Offenen Kanal gibt und Betreuung (Kurse, Beratung, Schnittplatzhilfe) zu kurz kommt. Sendebeobachtung findet in Trier nicht statt. Sollte ein Kunde gegen die Regeln verstoßen, so erfährt der Offene Kanal davon durch das (zufällige) Feedback von außen.
Was den OK Trier gegenüber anderen OKs hervorhebt, ist seine funktionierende automatische Sendeabwicklung. Da die beiden Schnittplätze ins Netzwerk eingebunden sind, muss es nicht einmal mehr Sendebänder geben. Die Datei wird auf den Server geschoben und von dort aus gesendet. Die beiden Technik-Beauftragten des OK entwickelten in zahllosen Tag- und Nachtschichten die Sendestraße und außerdem einen vollautomatischen Infotext für die sendefreie Zeit. Der Infotext muss nicht mehr mühsam manuell eingegeben werden, er aktualisiert sich selbsttätig aus dem Internet. Leider lässt sich diese Errungenschaft nicht umstandslos auf andere OKs übertragen. Ich erlebte in Trier selbst, wie wartungsintensiv das Playout-System ist. Ohne die beiden Freaks, die es entwickelten, könnte es nicht am Laufen gehalten werden.
Der OK Trier lebt von seinen anspruchsvollen Vereinsmitgliedern, die ihre eigenen Projekte und Produktionen verfolgen, die aber auch gut zusammenarbeiten, wenn es darauf ankommt. Christian Köllmer, so mein Eindruck, hält die Fäden zusammen, und Otto Scholer repräsentiert den OK. Ich erlebte eine ereignisreiche und produktive Woche in Trier, und wenn ich mir auch manchmal lästig vorkam, weil nicht klar war, welche Aufgabe ich übernehmen könnte, so genoss ich es doch sehr, erstens mal wieder Trier zu sehen, und zweitens Teil einer Produktionsgemeinschaft zu sein. Für einen Mitarbeiter, der schon mehrere Jahre als Medientrainer den Alltag in einem Offenen Kanal erlebt, ist ein solcher Austausch anregend und interessant. Zu wünschen wäre, dass der Austausch zwischen Offenbach und Trier nicht der einzige bleibt.
Author: Bernhard Bauser