20 Jahre alt und jeden Tag jünger: Der OK Ludwigshafen

Um diese Stelle mag mich mancher beneiden – oder eben auch gerade nicht: Ich bin 45 Jahre alt, leite den Offenen Kanal Ludwigshafen und mein nächstältester Kollege ist Tobias Wenzel, 30 Jahre alt, Sozialpädagoge im Anerkennungsjahr. Die beiden Auszubildenden Kristin Lauer und Stefanie Bräutigam – künftige Mediengestalterinnen – sind 21 Jahre, der 20-jährige Zivi Florian Wolff hat sich gerade verabschiedet, ihm folgt die knapp 17-jährige Yasmine El Alaoui, die ab September hier ein Freiwilliges Ökologisches Jahr absolviert. Yvonne Schäfer, Germanistik-Studentin im Praktikum, ist 19 Jahre alt, der freiwillige Schülerpraktikant Marco Kaprolat ist 15. Ab Donnerstag verstärkt die 19-jährige Bürokauffrau Stefanie Brosch teilzeitlich unser Team.

Ein Offener Kanal, der von einem Team von Jugendlichen betrieben wird, angeführt von einem hauptamtlichen Leiter, der sein Geschäft in einer Zeit gelernt hat, als seine Mitarbeiter(innen) noch in den Windeln lagen?

Geht das? Auch der Organisationsberater Joachim Schuldt, der den neu formierten Offenen Kanal im Frühjahr 2004 unter die Lupe nahm, schüttelte erst einmal den Kopf. Die vielfältigen Aufgaben, die allein schon der technische Betrieb und die Organisation eines Bürgerfernsehsenders mit sich bringen, in der Hand von Teens und Twens?

 

Der Offene Kanal Ludwigshafen hat eine Doppelstruktur: Der OK-Förderverein ist Lizenzinhaber und Träger einiger Projekte; 99 % der Kosten für Personal, Technik und Betrieb kommen jedoch aus dem Etat der Landeszentrale für private Rundfunkveranstalter, und mit der LPR habe ich 1987 einen Arbeitsvertrag geschlossen. Seit damals hat der erste deutsche Offene Kanal, 1984 gegründet, einige Male seine interne Struktur geändert. Im Sommer 2003 stand erneut ein Wechsel an: Der LPR-Ausbildungsbereich siedelte, mit mir an der Spitze, in die Räume des Offenen Kanals in der Prinzregentenstraße um. Der Offene Kanal begann, im Vorfeld seines Jubiläumsjahres, eine Verjüngungskur, die bis heute andauert.

 

August 2004: Auf der alltäglich zu organisierenden Pflicht setzt das auf, was ich den „OK neuen Typs“ nenne. Es ist eine Mischung von Ausbildungskanal und Medienkompetenzzentrum. Die Trennlinie ist eine Altersgrenze. Gerade tobt, wie zur Zeit jede Woche einmal, eine Kindergruppe durchs Haus – 6- bis 12-jährige, die im Rahmen der Ferienaktion „Kids On Tour“ hier an einem Reporterspiel teilnehmen. Am Freitag feiert die Jugendredaktion „Zoom“ mit einem Fest ihr einjähriges Bestehen; die 15-köpfige Gruppe von Hauptschülern und Gymnasiasten zwischen 14 und 17 Jahren hat in diesem Jahr sowohl den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten interviewt wie auch die Boygroup Overground, Reportagen vom Tatort-Dreh und aus dem Studio des Jugendsenders GIGA-TV gefertigt. Der Offene Kanal hat seine eigene Jugendgruppe, mit eigenem Zoom-Logo auf den orangenen T-Shirts.

 

20 1/2 Jahre nach dem Urknall heißen die „Stars“  des Offenen Kanals wie seit Jahren Heinrich Fingerle, Richard Fitterer, Gerd Herrmann und Kurt Berneck. Jeder hat eine Ecke der Weltkarte exklusiv: Gerd Herrmann beispielsweise die Rocky Mountains, Kurt Berneck die Wolga und den Don. Die vier und ihre (meist männlichen) Kollegen zwischen 60 und 75 sind nie im Bild zu sehen, und trotzdem erkennt man ihre Reisefilme am persönlichen Stil. Jeder der rüstigen Rentner hat seinen eigenen Fankreis.
Auch die launige Talkshow „Käffchen“ der OK-Azubis und -Praktikanten hat ihr Stammpublikum. Überschneidungen gibt es kaum. Zwischen der jungen und der älteren Generation fehlt dem Offenen Kanal die Mitte. Es ist schwer, von dem OK-Verständnis alter Schule zum Medienkompetenzhaus eine Brücke zu schlagen.

 

Derzeit existieren drei Offene Kanäle: Der erste Offene Kanal ist ein Haus – ein Lernort junger Menschen, die sich mit dem Medium Fernsehen auf unterschiedliche Weise auseinandersetzen. Wichtige Lernziele heißen Teamgeist, Verantwortung, Kooperationsfähigkeit. Intern ist der Wandel eine Dauereinrichtung – nicht nur, aber auch deshalb, weil Praktikanten in der Regel nur einen bis maximal sechs Monate im Offenen Kanal mitarbeiten.
Der zweite Offene Kanal ist ein Programm: Neu und übersichtlicher geordnet, dank eines serverbasierten „Play Out Systems“ täglich 12 Stunden auf Sendung. Die eigenproduzierten Formate – ein Lokalmagazin, ein Kultur-, ein Umweltmagazin, eine Gesprächssendung, Liveaufzeichnungen – gewinnen langsam an Gewicht und werden von den Zuschauern wahrgenommen. Beide Teile, Bürger- und Ausbildungsfernsehen, sind sich noch sehr unähnlich.
Der dritte Offene Kanal ist sein Bild in der Öffentlichkeit. In den Köpfen mancher Ludwigshafener spukt noch das „Kabelpilotprojekt“ herum. Seit dessen Ende 1986 hat sich die Fernsehindustrie aus Ludwigshafen wieder komplett verabschiedet. Der OK Nr. 3 ist ein Überbleibsel, ein Relikt.

 

Die LPR propagiert für die Offenen Kanäle in Rheinland-Pfalz das „Zwei-Säulen-Modell“: Lokale Kommunikation und Bildung sollen die Offenen Kanäle der Zukunft tragen. Im Offenen Kanal Ludwigshafen hat die Zukunft Einzug gehalten. In den nächsten Jahren werden wir daran arbeiten, den alten Namen mit neuen Bildern zu verknüpfen.

Author: Hans-Uwe Daumann
E-Mail: hans-uwe.daumann@ok-lu.de

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