Im Vorfeld der EU-Erweiterung am 1.5.2004 förderte Brüssel Projekte, in denen sich Jugendliche verschiedener Mitgliedsländer mit Europa und europäischer Politik auseinander setzten. Davon hörte Jochen Musholt, der im Münsteraner Bürgermedienzentrum Bennohaus seit 1999 europäische Mediencamps veranstaltet. Mit schwedischen und polnischen Partnerorganisationen kreierte er das Projekt „Eurolab“. Jugendliche aus drei Ländern besuchten Brüssel, drehten Reportagen beispielsweise über die schwedische Europa-Skepsis und montierten eine Magazinsendung, die in etlichen Offenen Kanälen gesendet wurde.
Leonardo (da Vinci), Sokrates, Grundtvig (Nikolaj Frederik Severin) – wer bei dieser Aufzählung europäischer Geistesgrößen sofort an die entsprechenden Aktionsprogramme der Europäischen Union denkt, der gehört zu den Eingeweihten. Und wer die Namen zuverlässig bestimmten Zweckbindungen zuordnen kann, der ist schon Semiprofi in Sachen EU-Projektplanung.
Die Europäische Union ist nicht nur eine gigantische Geld-Umverteilungsmaschine, sie formuliert tagtäglich Politik und greift damit in das Leben von 450 Mio EU-Bewohnern ein, und sie sucht sich, z. B. über die oben erwähnten Programme, auch nicht-staatliche Partnerorganisationen, die diese Politik in transnationalen Projekten mit Leben erfüllt.
Unter der Überschrift „EU meets Bürgermedien“ beschäftigten sich am 8. April 30 Sender-Vertreter auf Einladung des Bundesverbands Offener Kanäle und des Bildungszentrums BürgerMedien in Berlin mit den Chancen und Risiken europäischer Projekte.
Gernot Schumann, Europa-Beauftragter der Landesmedienanstalten, sieht die Bürgersender gut positioniert, wenn es darum geht, europäische Öffentlichkeit voran zu bringen. Europäische Themen seien für die Bürger dann attraktiv, wenn sie den konkreten Nahraum beträfen. Europäische Bürgermedienarbeit könne in der Nähe einer Binnengrenze angesiedelt sein oder grenzüberschreitend mit Partnern aus verschiedenen Ländern geschehen. „Es muss zu einem Dauergespräch europäischer Bürger untereinander und zu europäischen Themen kommen“, wies er das Generalziel.
Zwei große grenzüberschreitende Vorhaben sind unmittelbar mit den Veranstaltern verknüpft: Den „EU-Medientrainer„, bei dem der BOK direkt beteiligt, das Bildungszentrum Evaluationspartner ist, stellten Benedikt Althoff und Dr. Jochen Musholt aus Münster vor. Das interkulturelle Bildungsprojekt „inter.media“ wurde von der Bildungszentrums-Geschäftsführerin Katja Friedrich und von Projektkoordinator Andreas Linder präsentiert.
Nicht Bildung, sondern in erster Linie grenzüberschreitende Fernsehproduktion ist der Inhalt von „Mosaik“, das der Südwestpfalz-OK in Rheinland-Pfalz und TV Cristal in der französischen Nachbarregion Lothringen gemeinsam verantworten. Die beiden Partnerorganisationen liegen gerade 35 km auseinander, ihr seit 2004 laufendes Projekt wird aus dem Programm Interreg III gefördert.
Walter Danner, Geschäftsführer des Medienkompetenznetzwerks Südwestpfalz, wies vor allem auf die enormen finanziellen Vorleistungen und die langen und langwierigen Abrechnungswege hin, die mit einem Projekt dieser Größenordnung verbunden sind. Die EU verlangt Leistung und prüft penibel, war der Tenor vieler Berichte. Europäisches Geld kommt jedoch mitunter mit erheblicher Verspätung, so dass Projektträger teilweise über Jahre hinweg Personal- und Sachkosten vorstrecken.
Wer europäisch kooperieren will, der soll sich vor allem seine Partner sorgfältig aussuchen und ein klares Einvernehmen über das gemeinsame Vorhaben herstellen, riet Peter Kamb, freiberuflicher EU-Projektberater. „First the idea!“, so Ted Weisbergs Maxime. Der in Stockholm lebende Amerikaner organisiert seit vielen Jahren Praktikumsaufenthalte schwedischer Schüler in deutschen Offenen Kanälen. Manchmal müsse man eben lange warten, bis sich die nötigen Rahmenbedingungen herstellen ließen; es lohne sich nicht, Projektideen nach aktuellen Fördergelegenheiten auszurichten. Knapp 2 Jahre hat es laut Katja Friedrich vom ersten Treffen bis zum Projektstart von inter.media gedauert.
Geduld und Ausdauer gehören dazu, wenn man ein mehrere hunderttausend Euro schweres Projekt in Gang setzen möchte. Trotz all der Schwierigkeiten: „Es macht Spaß“, betonte auch Peter Kamb. Davon zeugten auch die „Wiederholungstäter“ im Tagungsraum.
Frisch gebackene Europäer waren aus der sächsischen Stadt Plauen nach Berlin gekommen. Im Februar 2005 war Ulrich Fritsch vom dortigen „Sächsischen Ausbildungs- und Erprobungskanal“ in die 40 km entfernte tschechische Kleinstadt Asch gefahren und hatte dort Kontakte zu Schulen geknüpft. Am 4. April brachte die Lehrerin Petra Koprivova eine Gruppe10- bis 13-jähriger Kinder aus Asch nach Plauen; zusammen mit deutschen Partnerkindern lernten sie in 5 Tagen die Grundzüge der Radioproduktion kennen und produzierten gemeinsam und in beiden Sprachen eine Sendung, von der in Berlin Ausschnitte zu hören waren. Zwei der tschechischen Kinder waren mit ihrer Lehrerin nach Berlin gekommen; mit Kassettenrekorder und Mikrofon sammelten sie fleißig neues Material. Was die deutsch-tschechische Kinderradiowerkstatt bei den Teilnehmern bewegt hat, lässt sich nur erahnen. Immerhin hat sich ein tschechisches Mädchen beim Plauener Oberbürgermeister höchstpersönlich die Erlaubnis geholt, wieder kommen zu dürfen.
Foto: Frau Koprivova und ihre Schüler
Author: Hans-Uwe Daumann
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