„Do guggschde“ – da guckt Bad Kreuznach zu

Herr Elsner ist Rentner und Kleingärtner in Bad Kreuznach. Und er ist empört. Schuld daran ist die Stadtverwaltung. In Herrn Elsners Kleingartenkolonie gibt es Lauben, und jedes Häuschen hat einen überdachten „Freiraum“. Diese Freiräume sind seitlich meist mit  Rollläden gegen Wind und Wetter gesichert. Die Stadtverwaltung hat eine Vorschrift entdeckt, wonach Rollläden rundum verboten sind. Herr Elsner widerspricht. Die Affäre aufgerollt hat Björn Schömel, 34-jähriger Marketingangestellter einer großen Farbfirma aus Bad Kreuznach. Jeden Freitag um 18.00 Uhr gestaltet er mit Freunden und Mitstreitern eine 20-minütige Magazinsendung: „Do guggschde – Themen aus Eurer Nachbarschaft“,  die von etwa 40.000 Kabelzuschauern gesehen werden kann.
Beim Tag der Offenen Kanäle der rheinland-pfälzischen Landeszentrale für Medien und Kommunikation am 16.4. in Trier gestaltete er einen Workshop unter dem Titel „Lokal in Bild und Ton“. Ende 2003 startete Bad Kreuznach als letzter rheinland-pfälzischer Offener Kanal. Im April 2004 begann Schömel mit seinen Kreuznacher Reportagen, die er seitdem regelmäßig produziert. Inzwischen ist er bei Ausgabe 42 angekommen. Meist ist er im Zweierteam unterwegs; wechselnde Freunde und Bekannte begleiten ihn. Seinen monatlichen Arbeitseinsatz beziffert er – inklusive etlicher Schnittplatznächte – auf etwa 90 Stunden.
Schömels Ausflüge in die Welt der Kaninchenställe und Gartenzwerge markieren einen „Unique Selling Point“ Offener Kanäle. Nur ehrenamtlich betriebene Lokalkanäle sind in der Lage, vermeintlich banale Themen aufzugreifen und zu bebildern, die in Mittel- und Kleinstädten oftmals Stadtgespräch sind.

Ein weiterer Beitrag aus „Do guggschde“ schildert anschaulich und ausführlich den Aufenthalt eines dreijährigen irakischen Mädchens im Krankenhaus der Kreuznacher Diakonie. Splitter haben Gesichtsmuskeln und Kieferknochen des Mädchens schwer verletzt; chirurgische Eingriffe stellen die Funktionsfähigkeit von Mund und Auge nur teilweise wieder her. Interviews mit behandelnden Ärzten machen das Schicksal des kleinen Kriegsopfers begreifbar.
Auf Geschichten wie diese erhält Schömel breite Resonanz. In seiner Heimatstadt ist der Videoreporter inzwischen eine bekannte Erscheinung; er selbst „sieht Bad Kreuznach in einem neuen Licht“, wie er sagt.


Björn Schömel ist ein Amateur, der für  seine Ziele eine professionelle und effiziente Arbeitsweise entwickelt hat. Er plant seine Beiträge, recherchiert und besichtigt Schauplätze, bevor er dreht. Er beklagt, dass er für viele Themen kein Fachmann sei, teilt dieses Los aber, wie der in Trier anwesende Journalist Stefan Weinert entgegnet, mit allen Lokaljournalisten, die üblicherweise „Universaldilettanten“ seien.
Als Teamleiter ist er eine „charismatische Persönlichkeit, wie sie in jedem Verein gebraucht wird“ (wieder Stefan Weinert). Seine Handschrift prägt die Sendung, ohne seinen Einsatz gäbe es „Do guggschde“ nicht. Die Kehrseite der Medaille: Das Engagement Schömels wird bewundert, Nachahmer sind aber – in Bad Kreuznach und in den meisten anderen kleinen OKs – nicht in Sicht.
Im Sommer 2006 will Björn Schömel seinen ersten Spielfilm drehen. Er wird sich wieder total verausgaben, aber es wird ihm gelingen.
„Es soll mir Spaß machen. Und das macht es auch“, sagt er.

Author: Hans-Uwe Daumann
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