„Seitenwechsel“: 32 Nutzerporträts aus Hessen

„Die Filmerei hilft mir einfach. Ich wollte es einfach. Ich weiß nicht, wie es anders wäre.“ (Ingeborg Kubesch, Kassel)
„Das eigene Leben wird reicher. Ich sehe bei vielen Dingen weniger die Probleme, meistens die Chancen.“ (Klaus Richard Arnold, Gießen)
„Was ich mache, hat Hand und Fuß. Und ich erreiche die Leute, so dass die Vertrauen zu mir haben“ (Cornelia Klein, Frankfurt)
„Und, was mir unheimlich Spaß, macht, ist, dass mich dieses Filmemachen in Situationen bringt, in die ich ohne das nie gekommen wäre.“ (Robert Paschmann, Fulda/Hildesheim)

 

4 Zitate von 4 Nutzern Offener Kanäle aus den 4 hessischen OK-Städten. 32 lange Interviews versammelt der Band „Seitenwechsel“, den die LPR Hessen im März 2005 veröffentlicht hat. 32 mal hat die Berliner Erwachsenenpädagogin Sabine Gieschler Laienproduzenten aus Offenen Kanälen aufgesucht und mit ihnen lange Gespräche geführt. Gemäß der Methode des „narrativen Interviews“ wurden diese Gespräche komplett aufgezeichnet und inklusive der „Ähs“ transkribiert. Die durch die Befragten autorisierten, nur unwesentlich gekürzten Niederschriften machen den über wiegenden Teil des Buches aus.

 

Elektrotechniker, Bürokaufmann, Friseur, Lehrer, Abiturientin, Altenpfleger, Bewährungshelferin, Justizvollzugsbeamter, Journalist, Grafiker: Die Berufe der Interviewpartner stammen aus der Mitte der Gesellschaft. Bei der Auswahl haben Prof. Wolfgang Müller und Sabine Gieschler berücksichtigt, was man über Offene Kanäle im Allgemeinen und über die 4 hessischen Sender im Speziellen weiß: Mehr Männer als Frauen  nutzen sie; Jugendliche und Rentner sind jeweils stark vertreten, vor allem der Großstadtsender in Offenbach wird stark von Migranten wahrgenommen.

 

Alle Angefragten haben einem Interview und der Veröffentlichung zugestimmt. Bereits durch die Einleitung, die Sabine Gieschler jedem Interview vorangestellt hat, entsteht ein Bild der Person. Die Gespräche selbst, mit Behutsamkeit und viel Empathie geführt, sind kleine Porträts von 32 grundverschiedenen Personen, die auf unterschiedlichsten Wegen zum Offenen Kanal gekommen sind. „Das erste Mal ist entscheidend. Entweder Du lässt es dann bleiben, oder Du bleibst beim Offenen Kanal hängen,“ wird der Ausspruch eines Fuldaer OK-Mitarbeiters überliefert. Hier sind 32 Menschen versammelt, deren Leben der Offene Kanal verändert hat. Zu beschreiben, warum und wie dies geschieht, gelingt auf einer allgemeinen, statistischen oder theoretischen Ebene nie sehr gut. Dazu notwendig ist ein „Seitenwechsel“ hin zur individuellen Perspektive derjenigen, die Offene Kanäle durch ihre Nutzung prägen. 32 mal lässt sich der Leser auf persönliche Erzählungen ein, auf Lebensgeschichten, auf Schicksale. Auch wenn einem nicht jede Interviewperson gleich nahe kommt: Spannend sind alle diese Geschichten. Auch wenn sich biografische Hintergründe (Kriegserlebnisse, Vertreibung) oder aktuelle Lebenssituationen (Übergang zwischen Schule und Beruf, Arbeitslosigkeit, Übergang in den Ruhestand) ähneln: Jede Geschichte ist neu und anders.

 

Am Ende schwirrt einem der Kopf, und deswegen ist es gut, dass die beiden Wissenschaftler Gieschler und Müller in ihrem abschließenden Resümee Einordnungshilfen geben.
Endlich ein Fachbuch, das man sich freiwillig auf den Nachttisch legen kann.

 

Sabine Gieschler, C. Wolfgang Müller: Seitenwechsel, Schriftenreihe der LPR Hessen, Band 20, kopaed München, 2005

Author: Hans-Uwe Daumann
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