Es gibt nur einen begrenzten Vorrat an Wörtern, die in der deutschen und der französischen Sprache gleich oder ähnlich klingen und sich als Sendetitel eignen. Nach dem Kunstwort „Euroclick“ haben die Sender Südwestpfalz-OK im rheinland-pfälzischen Rodalben und TV Cristal im lothringischen Bitsch „Mosaik“ als Namen für ihr zweites mehrjähriges Fernsehprojekt gewählt.
Zweisprachiges Fernsehen hat in der südwestdeutschen Grenzregion Tradition: Vor 5 Jahren startete der Bürgersender Südwestpfalz-OK und der gemeindeeigene Lokalsender TV Cristal ihr erstes grenzüberschreitendes Projekt. „Euroclick“ überschritt in mehrerlei Hinsicht Grenzen: Die Sprachgrenze war – zumindest zu Beginn – ein größeres Problem als die politische Grenze. Während um Bitsch herum noch Lothringer Platt und damit ein Dialekt der deutschen Sprache gesprochen wird, sah es mit den Französischkenntnissen auf der deutschen Seite schlecht aus. Die „Systemgrenze“ zwischen einem nichtkommerziellen Sender auf der deutschen und einem zum Teil werbefinanzierten Sender auf der französischen Seite hat sich inzwischen verwischt: Der Offene Kanal, der seit Jahren auch Ausbildungsbetrieb ist, hat von den sehr professionellen Ansprüchen der französischen Seite eher profitiert. Die „Mentalitätsgrenze“ spielt heute kaum noch eine Rolle. Die unterschiedlichen Umgangsformen haben sich angenähert, aus den Teams der beiden Sender sind Freundschaften entstanden. Seit Jahren wird nicht nur gemeinsam gearbeitet, sondern auch gemeinsam gefeiert.
Im Oktober 2004 stellten die Partner ein Festzelt auf die deutsch-französische Grenze bei Liederschiedt. Nach langen Verhandlungen um die Finanzierung – 50 % des Projektbudgets von 800.000 Euro kommen aus EU-Mitteln, je 25 % mussten die Projektpartner TV Cristal und das zwischenzeitlich gegründete „Medienkompetenznetzwerk Südwestpfalz“ in ihrer Region akquirieren – konnte Mosaik starten. Die jungen Moderatoren, die Französin Delphine Bach und der Deutsche Markus Appelmann, stellten die Elemente der neu designten Sendung vor: Die Rubrik „Actus“ stellt regionale Ereignisse links und rechts der Grenze vor, „On Tour“ präsentiert Dörfer und Städte in den beiden Regionen, in der Talkrunde „Austausch“ debattieren die Gäste grenzüberschreitende Themen, und im „Kafekränzel“ wird im Bitscher Platt und im nah verwandten Südwestpfälzer Dialekt geplaudert.
Gegenüber „Euroclick“ hat „Mosaik“ (eigentlich mit zwei I-Tüpfelchen) seinen Senderadius erheblich ausgeweitet. Auf der französischen Seite sind die Kabelnetze um Sarreguemines hinzugekommen, und in Rheinland-Pfalz geht jede Mosaik-Sendung in Kopie an sämtliche Offenen Kanäle und erreicht darüber maximal 1,5 Millionen Zuschauer. Mosaik ist weniger magazintypisch als „Euroclick“; die wöchentlichen Sendungen sind oft monothematisch. Für die Zuschauer in der Region sind die Aktualitäten interessant; das „Kafekränzel“ hat gerade unter älteren Zuschauern große Beliebtheit erlangt. Für das Publikum außerhalb der Grenzregion sind die touristischen Aspekte attraktiv, schließlich hat die wald- und burgenreiche Gegend gerade für Urlauber und Wochenendausflügler viel zu bieten.
Mit „Mosaik“ haben Walter Danner vom Südwestpfalz-OK und Francis Hoffmann aus Bitsch zum zweiten Mal ein Abenteuer gewagt. Einen Antrag dieser Größenordnung über Mainz und Berlin nach Brüssel zu schleusen, Mittel in erheblicher Höhe vorzufinanzieren, schließlich auf dem gleichen Weg abzurechnen und mitunter Jahre auf die Zahlungen aus Europa zu warten, erfordert Disziplin, Ausdauer und ein großes Vertrauen unter den Kooperationspartnern. „Mosaik“ ist ein Element einer größeren Entwicklung. Die Kommunalpolitiker im Grenzbereich bauen seit Jahren Strukturen der Zusammenarbeit auf. Für den gemeinen deutsch-französischen Grenzanrainer ist das Nachbarland Einkaufsplatz für Dieses und Jenes, für Einige auch Arbeitsplatz. „Mosaik“ wie schon „Euroclick“ sind nicht zu unterschätzende Kulturbotschafter. Jede Sendung liefert kleine Mosaiksteinchen zu einem umfassenden Bild des nahen europäischen Nachbarn; jeder Sendebeitrag hilft, die mentalen Grenzen zu überwinden, die auch in Schengen-Europa noch nicht verschwunden sind.
sh. a. „Sokrates meets Leonardo“
Author: Hans-Uwe Daumann
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