OK-Jahrestreffen 2005: Ideen und Verabredungen

Der erste Anbieter auf dem Markt der Möglichkeiten war Wolfgang Arnold.  Der Geschäftsführer des im Jahre 2000 gegründeten „Bündnisses für Demokratie und Toleranz gegen Extremismus und Gewalt“ war kurzfristig für Heinrich Oberreuter als Eröffnungsredner am zweiten Tag des Jahrestreffens Offener Kanäle in Berlin eingesprungen. Er machte aus der Not eine Tugend und berichtete von der Arbeit des Bündnisses, dessen Aufgabe darin besteht, z. B. durch die breit gestreute Vergabe von Förderpreisen diejenigen Initiativen, die sich „Aktiv für Demokratie und Toleranz“ (so der Name des Wettbewerbs) engagieren, ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Dies geschieht z. B. durch regionale und zentrale Preisverleihungen, zu denen Ministerpräsidenten und Bundesminister als Laudatoren erscheinen, und durch gemeinsame Kampagnen beispielsweise mit der Dresdner Bank (Viktor-Klemperer-Jugendpreis) und dem Bundesverband der mittelständischen Industrie. Für die breit gestreute, dezentrale Medienarbeit des Bündnisses bieten sich Deutschlands Bürgersender (von denen einige, nämlich die Freien Radios, Maximen wie den Antirassismus in ihre Statuten geschrieben haben) als Verbündete geradezu an.

 

Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Bürgermedien und Organisationen der Zivilgesellschaft nicht nur darzustellen, sondern in Arbeitsgruppen zu präzisieren und zu konkreten Verabredungen zu gelangen, sei das Ziel des 12. Jahrestreffens der Offenen Kanäle, so Jürgen Linke, Gastgeber und Bundesvorsitzender, am 2. Tag des Treffens, das am 28. und 29. Oktober wieder einmal in Berlin stattfand.

 

C. Wolfgang Müller, emeritierter Professor der TU Berlin, übernahm die Moderation der Tagung und bat als Erste Dr. Sabine Gieschler aufs  Podium – mit der zusammen er gerade ein Buch über Menschen in Offenen Kanälen geschrieben hat: „Seitenwechsel“. Sabine Gieschler organisiert an der Technischen Universität eine besondere Form von Seniorenstudium, das „Berliner Modell Ausbildung für nachberufliche Aktivitäten“ (BANA). Die Absolventinnen (85 % sind Frauen) arbeiten projektorientiert, und ihre Studienergebnisse eignen sich zur Veröffentlichung im Offenen Kanal. Gieschler und auch die nachfolgenden Podiumsgäste konnten allerdings die Lücke zwischen inhaltlichem Angebot und fertiger Sendung nicht schließen, die  Frage „Wer machts?“ wurde in Arbeitsgruppen verwiesen, begleitet vom Einwurf des thüringischen Bürgermedienbeauftragten Leo Hansen, man möge möglichst zeiteffiziente Formate entwickeln.

Joachim Mackensen, Berliner Buchhändler und Landesvorstandsmitglied des Börsenvereins, sowie die Berliner Geschäftsführerin der Branchenorganisation, Johanna Hahn, warben dafür, politische Bücher in den Bürgersendern vorzustellen und zu rezensieren. Hahn schlug auch vor, die 150 Auszubildenden des Berliner Buchhandels und der Verlage in die Kooperation miteinzubeziehen.
Carmen Schultze vertrat den Berliner Landesverband der weitgehend ehrenamtlich organisierten Umweltschützer vom BUND. Erste Ansätze für eine aussichtsreiche  Kooperation sieht sie z. B. bei der BUND-Jugend. Der „Öko-Führerschein“ der Nachwuchsorganisation enthält bereits ein Modul für aktive Mediennutzung. Auch werden zum Jahreswettbewerb des BUND, zuletzt zum Thema „Der Schmetterling“, nicht selten bereits Filmbeiträge eingereicht, die sich für eine Sendung eignen könnten.
Ein reales Kooperationsprojekt stellte Roland Geiger, Geschäftsführer der Jugend- und Familienstiftung des Landes Berlin vor. Über das von der Stiftung betreute  medienpädagogische Netzwerk www.jugendnetz-berlin.de, über die Medienkompetenzzentren, die in jedem der 12 Berliner Bezirke existieren, und über ein Kooperationsprojekt zur Berufsorientierung im Medienbereich sind Jugend- und Familienstiftung und Offener Kanal Berlin bereits bestens vernetzt.
Bis zur Fußball-Weltmeisterschaft im Sommer 2006 will man nun 20 – 30 Jugendliche in einer zentralen Jugendredaktion und noch einmal Produktionsgruppen in 12 Jugendeinrichtungen als Videoreporter qualifizieren. Die Vorbereitung beginnt im Winter; Ziel ist ein Netzwerk zur aktuellen Berichterstattung über das Fußball-Weltereignis. Jugendliche Teams in die Stadien einzuschleusen, ist den Initiatoren dabei weniger wichtig. Sie sind weit mehr daran interessiert, den Blick der Jugendlichen dafür zu schärfen, was sich in der Stadt tut, was sich verändert und bewegt, wenn „die Welt zu Gast“ sein wird.

 

Schon lange nicht mehr war bei einem Jahrestreffen Offener Kanäle so viel von „politischer Bildung“ die Rede wie 2005. Wer, der Einladung folgend, Vertreter der Bundeszentrale für politische Bildung bei der Veranstaltung erwartet hatte oder gar konkrete Ideen zur Kooperation mit dem größten Akteur in diesem Bildungsbereich, wurde enttäuscht. Die Institution, die Offene Kanäle einmal mit ins Leben rufen half, und die sich in den letzten Jahren stark in der politischen Jugendarbeit mit Medien engagiert hat („politik orange“, „Jugendmedientage“), glänzte durch Abwesenheit.

 

Foto: C. W. Müller

Author: Hans-Uwe Daumann
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