Das „Mausoleum“ in Ostroleka ist ein Monstrum: Ein gigantischer Beton-Rohbau, der schon wieder in Verfall übergegangen ist, flankiert von zwei Geschützen aus dem Zweiten Weltkrieg, soll an eine Schlacht erinnern, die polnische Aufständische 1831 an dieser Stelle gegen die Truppen des Zaren von Russland verloren.
Ein unheimlicher Ort, den nachts niemand freiwillig aufsucht. Er taugt vorzüglich als Drehort für den Thriller-Kurzfilm, den 20 polnische und deutsche Jugendliche im Oktober 2006 zusammen drehen.
Im Juni dieses Jahres war eine Gruppe 17-jähriger Schüler der Allgemeinbildenden Oberschule „Josef Bem“ auf Einladung des Internationalen Bauordens aus Ostroleka in die Pfalz gekommen. Nach einer anstrengenden 24-stündigen Busfahrt frühstückten sie im Offenen Kanal Ludwigshafen. Anschließend drückten Benjamin Klein und Hans-Uwe Daumann den Jugendlichen Videokameras in die Hände. Zweck der Schnellschulung: Über die Aufenthalte in Straßburg, Heidelberg und Worms und über ihre Begegnungen sollte die Gruppe eine kleine Videodokumentation erstellen.
Das Ad-Hoc-Videoprojekt machte allen Beteiligten viel Spaß, und die Schuldirektorin Anna Koronka lud eine Jugendgruppe aus dem Offenen Kanal zum Gegenbesuch ein. Zur Kurzfilmreise in die polnische Provinz meldeten sich schließlich 10 Jugendliche aus Koblenz, Worms und Ludwigshafen an. Vom Flugplatz Hahn ging es am 7. Oktober nach Warschau und weiter per Bus ins 120 km nördlich gelegene Kleinstädtchen Ostroleka.
Gleich am Tag drauf, einem Sonntag, lernte die deutsche Gruppe ihr polnisches Gegenüber kennen: 10 Schüler einer Abschlussklasse, die sich über Jahre hinweg in einer Kino-AG theoretisch mit Film beschäftigt hatten. Praktische Kenntnisse brachten die Deutschen ein; u. A. waren die Mediengestalterin Stefanie Bräutigam und die videoerfahrenen Schüler Wojtek Hahnel und Markus Schloderer vom Ludwigshafener Wilhelm-von-Humboldt-Gymnasium mitgefahren.
Innerhalb eines Tages wurde aus 4 Vorschlägen ein Drehbuch gezimmert; die Ausgangslage: Ein deutsches Paar kommt per Bus in die Kleinstadt und wird in gruselige kriminelle Machenschaften verstrickt. Zu den Drehorten gehörten die Gruft eines Klosters und eben das Mausoleum. Die babylonische Sprachsituation im Workshop – diskutiert wurde in polnisch, deutsch und englisch – spiegelte sich auch im Film: Eine der deutschen Sprechrollen wurde von der polnischen Schülerin Ilona, polnische Sprechrollen von den Deutschen Max und Kevin übernommen. Zum wichtigsten Mann am Set avancierte Wojciech Hahnel, der polnisch und deutsch gleichermaßen beherrscht. Folgerichtig übernahm er die Regie.
An den drei Drehtagen gab es abends jeweils Rohschnitte der produzierten Szenen zu sehen, so dass alle 20 Beteiligten das Ergebnis ihrer Arbeit beurteilen konnten. Manches wurde daraufhin neu gedreht, aber am Freitag Abend konnte der 10-minütige Kurzfilm „(L)Ostroleka“ in einer Rohfassung bejubelt werden.
Von Anfang an verstanden sich Polen und Deutsche prächtig. Der Erfolg der gemeinsamen Arbeit und die gemeinsam verbrachte Freizeit ließen die positive Stimmung weiter steigen. Auch die polnischen Lehrerinnen Anna Koronka, Marta Pozniewska und Beata Sadowska und die deutschen Gruppenleiter Hans-Uwe Daumann (vom Offenen Kanal) und Peter Runck (vom Internationalen Bauorden) waren nach 7 Tagen Spaß und Stress uneingeschränkt glücklich mit dem Verlauf und dem Ergebnis des Kurzfilmdrehs. Vor dem Rückflug war allen klar: Die Geschichte soll eine Fortsetzung erhalten, aber das erste Kapitel wird schwer zu toppen sein.
Author: Hans-Uwe Daumann
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