Witamy! Willkommen! – Unter diesem Motto fand 2006 im Rahmen eines medienpädagogischen Projektworkshops zum Thema „Dokumentarfilm“ ein deutsch-polnischer Jugendaustausch statt – veranstaltet von der Ursulinenschule in Fritzlar, dem 20. Allgemeinbildenden Lyzeum in Poznan und dem MOK Kassel. Die Idee eines Jugendaustauschs ergab sich, da im Umkreis von Fritzlar viele polnischstämmige Familien wohnen, die ihre Kinder bevorzugt in die katholisch geführte Ursulinenschule schicken. Diese „kulturelle Ressource“ wurde genutzt, um eine Schulpartnerschaft aufzubauen. Im Jahr 2005 wurden die ersten Kontakte geknüpft: In Poznan fand sich ein Lyzeum, in dem auch eine Videogruppe aktiv war. Gemeinsam entstanden erste Filmetüden.
Im Jahr 2006 sollte die Zusammenarbeit der Schulen vertieft werden. Grundidee war, dass sich die Schülerinnen und Schüler hauptsächlich mit visueller Kommunikation beschäftigen sollten, also insbesondere mit dem Filmen und Dokumentieren. Das Medium Video sollte dabei als Brücke dienen, um Sprach- und Kulturbarrieren leichter überwinden zu können. Das Programm richtete sich fächerübergreifend an alle Schüler der Jahrgangsstufen 10 bis 13. Der Ablauf wurde stark auf das Thema „Dokumentarfilm“ hin ausgelegt, übersah jedoch nicht den Jugendaustausch- und Freizeitcharakter des Workshops. Ziel sollte das Entstehen mehrerer kurzer Dokumentarfilme sein, die die Spuren deutsch-polnischer Lebensart reflektierten.
Der erste Teil des Workshops fand in Poznan statt. Hier kamen 16 deutsche und 13 polnische Jugendliche zusammen und wurden zunächst mit den Grundlagen des dokumentarischen Filmens vertraut gemacht. Während des achttägigen Zusammenseins entwickelten sie ihre eigenen Themen und Drehkonzepte (fast alle Arbeiten verzichteten interessanterweise auf den Einsatz von O-Tönen), zogen mit der Kamera durch die Stadt und bannten ihr persönliches Bild des heutigen Polens auf Video. Nach fast zweitägigen Schnittarbeiten stellte die Premiere von drei fertigen Kurzdokumentarfilmen den Höhepunkt des Aufenthalts dar.
Die in Poznan entwickelten Themen „Stadt und Menschen“, „Poznan alt/neu“ sowie „Kommunikation und Werbung“ wurden beim sechstägigen Gegenbesuch in Kassel auf das Leben in Deutschland übertragen. Eine ausführliche Filmanalyse der bisher entstandenen Arbeiten trug dazu bei, die neuen Drehkonzepte differenzierter anzugehen. Die insgesamt sechs Filme wurden in einer zweisprachigen Livesendung im MOK Kassel präsentiert, in der die Jugendlichen auch über ihre Erfahrungen während des Austausches berichteten.
Gemessen an der inhaltlichen und filmsprachlichen Qualität der entstandenen Dokumentarfilme, haben sich der große Vorbereitungsaufwand und die intensive Gruppenarbeit äußerst gelohnt. Alle Arbeiten gehen weit über die Darstellungsformen vergleichbarer MOK-Produktionen hinaus. Den Kurzfilmen sind der hohe eigene Anspruch und die ernsthafte Auseinandersetzung mit den gewählten Themen deutlich anzumerken.
Nicht zuletzt die gemeinsame Abschlusssendung, von der mittlerweile viele Kopien auf DVD in Deutschland wie auch in Polen auf interessiertes Publikum stoßen, betonte noch einmal den internationalen Charakter des Filmworkshops, der für viele neue Freundschaften und Kontakte sorgte und im Kleinen dazu beitrug, das deutsch-polnische Verhältnis positiv zu fördern. Eine Fortsetzung des Jugendaustauschs wäre daher im kommenden Jahr sowohl auf schulischer wie filmerischer Ebene wünschenswert. Und ich wäre gerne wieder dabei.
Author: Steffen Ackermann
E-Mail: info@ok-kassel.de