Uschi Wienken: Engagement, Begeisterung, Qualität…

Das Projekt „Qualitätsmanagement im Bürgerfunk – QMB“ wird seit 01.12.2005 von der Deutschen Hörfunkakademie (DHA)/ Oberhausen durchgeführt. Das Bildungszentrum BürgerMedien e.V. hat als Kooperationspartner an der Erarbeitung des Qualitätsmodells für den Bürgerfunk mitgewirkt. Begleitet wird das zweijährige Projekt von einem Projektbeirat, dem als Vertreter des Westdeutschen Rundfunks auch Ulrich Timmermann angehört.

Wir haben Ulrich Timmermann, der als Medienfachjournalist das Medienmagazin „Töne, Texte, Bilder“ im Hörfunkprogramm WDR 5 redaktionell verantwortet, gebeten, mit der Projektleiterin Uschi Wienken (DHA) über die Hintergründe des QMB-Projekts zu sprechen.

 

Frau Wienken, unsere Themen sollen ja sein: Qualität im Bürgerfunk in Nordrhein-Westfalen und das Projekt „Qualitätsmanagement im Bürgerfunk“. Zunächst: Wer hat dieses Projekt überhaupt initiiert? Gab es Kritik von außen?

Die Idee ist nicht von außen gekommen; sie kam aus dem Bürgerfunk selbst. Vor ca. drei Jahren hat sich der Landesarbeitskreis „Qualität im Bürgerfunk“ gegründet. Eine Initiative, in der sich Radiowerkstattleiter aus ganz NRW zusammengetan haben, um sich im Bereich Qualität weiterzuentwickeln. Die haben im Grunde das Drehbuch für das ganze Projekt geschrieben, das wir letztendlich nur umsetzen und abwickeln. Also die Idee kommt von innen, im Sinne von: Wir wollen demonstrieren, dass wir Qualität abliefern und dass wir gute Sendungen machen.


Wenn man weiß, wie lange es den Bürgerfunk im Lokalradio NRW schon gibt, mag man trotzdem die Frage stellen: Warum kommt das so spät?

Meine persönliche Meinung ist die: Immer, wenn Systeme alleingelassen und nicht mehr beachtet werden, ist der Gedanke an Verbesserung und Veränderung zunächst mal ganz weit hinten. Erst wenn diese Systeme wieder ins Blickfeld der Öffentlichkeit geraten, kommen solche Prozesse in Gang. Das ist nicht nur beim Bürgerfunk so, das ist, glaube ich, in jedem Bereich so.

Das Projekt „Qualitätsmanagement im Bürgerfunk“ in dem Sie arbeiten, an wen wendet es sich genau?

Wir sind angetreten, eine Form von Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung zu entwickeln, die passend ist für die Radiowerkstätten in Nordrhein-Westfalen. Das ist unser Auftrag: Radiowerkstätten jeder Größe, jeder Zusammensetzung, jeder Art von Finanzierung sollen die Möglichkeit haben, ein Testat oder ein Zertifikat zu bekommen. Damit soll glaubwürdig belegt werden können: Wir sind eine Radiowerkstatt, die bestimmte Strukturen verläßlich anbieten und bestimmte Qualitätsansprüche erfüllen kann.

Hat sich denn die Diskussion um Qualität in den Radiowerkstätten bereits bemerkbar gemacht?

Wir sind noch mitten in der Pilotphase, merken aber jetzt schon, dass innerhalb der Radiowerkstätten intensive Auseinandersetzungen zum Qualitätsgedanken stattfinden. Da findet sich natürlich ganz viel, das schon immer da war. Oft aber wurde es aber nie wirklich ausgesprochen oder festgehalten, im Sinne von vereinbarten Standards. Durch das Projekt fangen die Radiowerkstätten an, diese Standards nun zu fixieren. Übrigens auch, damit man es allen, die neu dazu kommen, kompakt vermitteln kann.
Ich glaube, es entwickelt sich ein neues Bewusstsein für Qualität – auch und besonders im Programm.

Dazu haben Sie im Projekt auch eine Definition von „gelungenem Bürgerfunk“ entwickelt. Was sind da die Eckpunkte?

Die Definition gelungenen Bürgerfunks wurde auf einer LfM-Veranstaltung von fast 100 aktiven Bürgerfunkern entwickelt. Die Eckpunkte sind ganz unterschiedlich; sie bilden im Prinzip die gesamte Idee „Bürgerfunk“ ab. Vor allem bezieht sich die Definition natürlich aufs Programm. Es ist aber ebenfalls sehr wichtig, dass da auch Leistung jenseits des Programms dokumentiert wird. Also z. B. die Arbeit mit Senioren, die Arbeit mit Randgruppen, mit Menschen, die sonst keine Lobby haben, weder im Hörfunk noch in anderen Medien.
Das sind Aspekte, die ganz weit vorne stehen.
Dann gibt es immer noch das Stichwort „Partizipation“, Beteiligung.
Es gibt den Gedanken der Vermittlung von Medienkompetenz, also des selbstgewissen Umgangs mit Medien aller Art. Und nicht zu vergessen: Bürgerfunk ist nur dann wirklich gelungen, wenn die Menschen, die das ja ehrenamtlich machen, auch mit Spaß, Engagement und Begeisterung dabei sein können.
Das Programm wiederum profitiert davon, dass Macher am Werk sind, die Engagement und Begeisterung einbringen. Und dass dort Themen platziert werden, die sonst in den Medien nicht oder kaum stattfinden. Dass da Themen auch aus anderen Blickwinkeln präsentiert werden, als eine lokale Ergänzung zu den laufenden Programmen.
Zum Schluss gehören natürlich auch angemessene Sendezeiten und angemessene Finanzierung für die Bürgerfunker zu einem gelungenen Bürgerfunk.

Das hört sich an, als wenn der Bürgerfunk sich selbst vor allem als komplementär zu den Profis versteht. Stimmt das oder höre ich da zu viel heraus?

Ich würde das auch so interpretieren. Ob die Bürgerfunker das selber immer so klar sehen, weiß ich gar nicht. Natürlich gibt es auch Radiowerkstätten, die sich schon als professionelle Medienproduktion verstehen wollen. Die setzen dann vielleicht andere Schwerpunkte. Andere Radiowerkstätten hingegen haben tatsächlich mindestens gleichgewichtig das soziale Umfeld ihrer Arbeit im Auge und eben nicht nur das journalistische oder semijournalistische Endprodukt.

Vor dem Hintergrund eine Frage, die sich viele politische Beobachter stellen: Sind Bürgermedien, so wie sie hier im Lokalfunk in Nordrhein-Westfalen betrieben werden, aus Ihrer Sicht noch zeitgemäß? Stellt sich noch die Frage nach Partizipation, zum Beispiel, angesichts von digitalen Realitäten wie Podcasting, Weblogs, Online-Foren, „You tube“, Web 2.0? Heute kann sich doch jeder Bürger publizistisch betätigen, ohne sich einer Bürgerfunkgruppe anzuschließen oder in einer Radiowerkstatt mitzuarbeiten.

Ich würde den Gedanken, dass bestimmte Themen und Genres auch im Internet stattfinden könnten, durchaus nicht ganz zurückweisen. Ich glaube aber, dass gerade für die Bürgermedien das Ganze noch ein bisschen zu früh kommt. Das Argument, dass ich nachvollziehen kann, lautet ja, dass gerade die Klientel für den Bürgerfunk zu weiten Teilen noch nicht so digital vernetzt ist, wie das vielleicht für andere Publika bereits gelten mag.
Aber man findet da immer die ganze Spannbreite: Eine Musiksendung im Genre „Techno“ oder eine Sendung, die thematisch nicht lokal angebunden ist, kann im Internet sogar besser aufgehoben sein, weil sie dann unter Umständen eine viel größere Zielgruppe hätte als eben nur im Lokalfunk. Aber ich schätze, mindestens 80 Prozent der Programme, die der Bürgerfunk ausstrahlt, sind einfach gebunden an den lokalen Bereich. Und da derzeit nicht mal die professionellen Lokalradios im Internet ein Publikum sehen, warum sollte der Bürgerfunk da eines finden?

Warum äußert sich dann Norbert Schneider, der Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, so skeptisch in Bezug auf die Zeitgemäßheit des über UKW gesendeten Bürgerfunks in NRW?

Also ich verstehe Norbert Schneider so, dass er damit einen Beitrag zu einer medienpolitischen Diskussion geliefert und deshalb zu einer recht kritischen Formulierung gegriffen hat.
Davon abgesehen denke ich auch, dass es für den Bürgerfunk sinnvoll ist, perspektivisch darüber nachzudenken, was mit diesem neuen Verbreitungsweg zu machen ist. Nicht als Ersatz, sondern als sinnvolle Ergänzung.

Sehen Sie Ihr Projekt als Beitrag zur Diskussion um die Zukunft einer demokratischen Öffentlichkeit? Zum Beispiel zu der Frage: Wo findet in Zukunft das Gespräch der Gesellschaft statt, wo werden die wichtigen Dinge öffentlich geklärt?

Durchaus. Das Projekt hat bereits viele wichtige Anstöße gegeben in den Radiowerkstätten. Dabei haben wir ja gerade erst angefangen, da kommt sicher noch viel mehr Feed back. Viele beteiligte Radiowerkstätten verspüren offensichtlich so eine Art Renaissance, spüren, dass sie ihre Klientel wieder begeistern können für die Sache „Bürgerfunk“ und damit für eine bestimmte Form von Teilhabe. Es gibt neuen Spaß und neues Engagement. Ich glaube, dass es der Szene sehr gut tut, dass sie nach so vielen Jahren, in denen sich kaum einer um sie gekümmert hat, jetzt neue Aufmerksamkeit findet. Uns wird von allen Seiten bestätigt, dass es ein Superprojekt ist, dass den Bürgerfunk tatsächlich wieder nach vorne bringen kann.

Der Beobachter aus der Distanz konnte in den vergangenen Jahren zu dem Eindruck kommen, dass die Bürgerfunkgruppen sich doch sehr stark aus der verfassten Öffentlichkeit zusammengesetzt haben, Vereine, Verbände, Institutionen etc. Einige neue digitale Verbreitungswege ermöglichen nun vollkommen individualistisches Publizieren, die one-man-show.
Spüren Sie da beim Bürgerfunk auch einen Trend: weg von der Gruppe hin zum individuellen Agieren?

Eine gut arbeitende Radiowerkstatt wird immer die Kompetenzen des Einzelnen fördern und stärken können, aber auch Strukturen für Teamarbeit anbieten. In den Medien in vielen Fällen unerlässlich. Das Individualistische, überspitzt formuliert der Wunsch nach Selbstdarstellung, wird von vielen Radiowerkstätten gerade nicht bedient.

Wo sehen Sie die Bürgermedien in 10 Jahren, und wo den Bürgerfunk in NRW?

Der Gedanke der Bürgermedien wird auch in 10 Jahren sicher lebendig sein. Und irgendwo werden sie auch ihren Platz finden.
Ob dann letztendlich im Internet oder über UKW- oder Mittelwellen-Frequenzen gesendet wird, das kann ich nicht absehen. Es wird aber nach wie vor Leute geben, die die Idee einfach Klasse finden.
Denn wenn man Bürgerfunk versteht, wie er ursprünglich mal gemeint war, dann ist das eine wunderbare Nische, in der man kreativ sein kann, in der man junge Menschen begeistern kann von Medien, in der man Themen platzieren kann, mit denen man sonst überhaupt nichts zu tun hätte, Themen, die erst dadurch in die Öffentlichkeit kommen, dass sich eine Bürgerfunkgruppe damit befasst.

Author: Ulrich Timmermann
E-Mail: redaktion@connex-magazin.de

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