Auftakt zum Jahr des interkulturellen Dialogs „Ich bin eine schwarze Deutsche“
Das „Europäische Jahr des interkulturellen Dialogs“ ist am 18.2.2008 Woche für Deutschland offiziell eröffnet worden. Bei einer Veranstaltung in der Berliner „Kalkscheune“ standen aktuelle Fragen des Zusammenlebens von Deutschen und Ausländern zur Debatte. Dabei wurde auch auf die Ereignisse um den Wohnhausbrand in Ludwigshafen und die Äußerungen des türkischen Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan bei seinem jüngsten Deutschland-Besuch Bezug genommen.
Rund 150 Teilnehmer waren der Einladung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefolgt. Das Ministerium ist zusammen mit dem Bundesverband der Freien Wohlfahrtspflege nationale Koordinierungsstelle für alle Aktivitäten im Jahr des interkulturellen Dialogs.
Die Podiumsdiskussion zur Eröffnung stellte die Integrationspolitik auf den Prüfstand: zum Beispiel durch die Schilderungen der dunkelhäutigen Schauspielerin, Sängerin und Moderatorin Mo Asumang, die auf die Frage nach ihrer Herkunft immer ganz selbstverständlich geantwortet hatte: „Ich bin eine schwarze Deutsche“. Bis eine Neonaziband die Tochter einer Deutschen und eines Ghanaers mit dem Song „Die Kugel ist für Dich, Mo Asumang“ ins Visier nahm.
Asumang berichtete davon, wie sie sich mit der Angst auseinander setzte, wie diese dem Trotz wich, und wie sie schließlich den Mut fand, den Neonazis in einem Dokumentarfilm direkt gegenüber zu treten. „Roots Germania“ ist für den Grimme-Preis nominiert. Trotz allem, sagte Asumang, sei Deutschland in Sachen Integration weiter als andere Länder. Ihr Film solle „Raum für Gespräche“ schaffen. Gerd Hoofe, Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, knüpfte daran an und sagte: „Gerade in einer globalisierten Welt sind interkulturelle Kompetenzen gefragt.“ Hoofe wies darauf hin, dass rund 15,3 Millionen Menschen hierzulande einen Migrationshintergrund haben. Bei den unter 25-Jährigen stammt jeder Vierte aus einer zugewanderten Familie. Bei den Kindern unter sechs Jahren sei es sogar jedes Dritte. Wer genau aber sind die Adressaten des geplanten „interkulturellen“ Dialogs?
Der Soziologe Carsten Dippermann stellte die SINUS-Studie „Lebenswelten von Migranten“ vor. Anders als in der Öffentlichkeit oft >> wahrgenommen, sind sie keine soziokulturell homogene Gruppe. Dippermann unterscheidet acht Migranten-Milieus, in denen sich Menschen mit ganz unterschiedlichen Lebensweisen und Lebensauffassungen bewegen. Zu mehr Gelassenheit in der Integrationsdebatte riet Günter Piening, Integrationsbeauftragter des Berliner Senats, gerade nach der Empörung über die Rede Erdogans in Köln. „Wir können nicht bei jeder Debatte wieder bei Null anfangen“, sagte Piening. Man solle sich die „Erfolge nicht kaputtreden lassen.“ Die türkisch-kurdische Frauenrechtlerin und Autorin Seyran Ates kritisierte die Bildung von „Parallelgesellschaften unter Migranten“. Weil der Rest der Gesellschaft als feindliche Umgebung angesehen werde, wüchsen junge Menschen mit Vorurteilen auf. Bildung könne dieser Entwicklung vorbeugen. Erst eine „gleichberechtigte Teilhabe der Zuwanderer bedeutet Integration“, sagte auch Maria Böhmer, Integrationsbeauftragte der Bundesregierung. Das Europäische Jahr biete Gelegenheit, „Chancen und Gewinn des interkulturellen Dialogs“ aufzuzeigen und das Gespräch weiter zu entwickeln.
Author: Jürgen Linke
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