Ich muss gestehen, dass mir die Welt immer ein völlig unverständlicher Ort war. Dieser nur schwer zu ertragende Zustand trieb mich in meiner Kindheit und Jugend, zur Ablenkung und um Erklärungen zu finden, in exzessive Medi-ennutzung, damals nannte man das noch ‚lesen‘. Meine Eltern, die in großer Sorge um mich waren, scheiterten mit allen Versuchen, meine Sucht nach ‚Büchern‘ zu heilen, später verfiel ich dann auch noch dem ‚Film‘. Jede Woche verbrachte ich viele Stunden mit Gleichgesinnten in dunklen Räumen in völliger Trance. Kein Wunder also, dass ich auch im richtigen Leben eher die Rolle des Beobachters als die des aktiven Ge-stalters einnahm, nicht unbedingt eine Haltung, die mich weit gebracht hat. Ich lernte, ohne mich an sie zu binden, viele Berufe und Menschen kennen, bis es dann passierte: Es verschlug mich in einen Offenen Kanal.
Stellen Sie sich einen Ort vor, an dem Menschen jedes Alters, jeder Gesinnung, jedes Geschlechts und jeder Hautfarbe, allein, in Gruppen, abgekapselt und dann doch wieder Verbin-dungen eingehend, auflösend und neu findend, spielerisch versuchen, die ihnen selbst wichtigen Ideen medial auszudrücken, um sie anderen Menschen mitzuteilen.
Als Mitarbeiter dieser Einrichtung wäre Ihre Aufgabe nun, jeden einzelnen an unseren Angeboten Interessierten nach seinen Fähigkeiten zum Handeln zu befähigen, dieses ab und zu in Frage zu stellen und als Schiedsrichter auf die Einhaltung der Regeln zu achten. Sie würden beobachten, wie schüchterne Menschen sich langsam öffnen, Einzelkämpfer teamfähig werden, und die Mitläufer, die sich sonst in Gruppen verstecken, plötzlich in die erste Reihe treten. Sie würden beobachten, wie Menschen lernen, nicht, weil sie es müssen oder wollen, sondern ganz nebenbei, weil sie sich ausdrücken möchten. Die in diesem Prozess entstehenden Produkte wirken, von Anderen gesehen und beurteilt, auch von außen immer wieder auf dieses Experiment ein, verändern es und feuern es an. Ein Kollege nannte Offene Kanäle einmal ‚Teilchenbeschleuniger für Menschen‘, ich finde sie auch als ’soziale Katalysatoren‘ gut beschrieben. Welch ein herrlicher Ort für jemanden, der immer wieder gerne Neues ausprobiert, weil er die Welt und die Menschen verstehen lernen möchte.
Offene Kanäle haben sich in den letzten Jahren stark verändert, sie sind nicht mehr allein dazu da, dass Menschen aus eigenem Antrieb Fernsehen machen. Hier in Fulda organisieren wir inzwischen selbst lokale Berichterstattung, bilden Pädagogen aus und machen Medienkompetenzprojekte mit Kindern und Jugendlichen. Was sich allerdings nicht geändert hat, ist unser Stil. Immer noch ermöglichen wir Men-schen, selbst auszuprobieren, was für sie funktioniert: Ob in Seminaren in der Diskussion oder in der Produktion in der Praxis, das MOK Fulda bleibt ein Ort, an dem Menschen nach ihrem eigenen Weg suchen. Und da ich immer noch nicht weiß, wie die Welt funktioniert, begleite ich die Menschen in diesen Prozessen immer noch voller Begeisterung.
Author: Rolf Strohmann / MOK Fulda
E-Mail: kontakt@mok-fulda