MOK Gießen: Von guten Geistern

[Bild: Robert Kreuzinger-Ibe, fast 83 Jahre]

Von guten Geistern

… schon wieder ist dieses verdammte Programm abgestürzt. Die Arbeit von Stunden ist hin, eine Vertonung macht mir sowieso zu schaffen, und alles nur, weil ich vergaß, zwischendurch mal die Speichertaste zu drücken! Der Reisebericht über Tadschikistan kann mir bald gestohlen bleiben – oder er bleibt eben ohne Ton, die Bilder sind ja vielleicht Eindruck genug …

Schweißgebadet wache ich auf, stelle erleichtert fest, dass das ja mehr als 15 Jahre her ist. Heute speichert das Programm im OK automatisch jeden Tastendruck, und das mitleidige Lächeln vom Markus, meiner großen Hilfe hier, bleibt mir erspart. Wenigstens in dieser Hinsicht. Denn der Kampf mit immer neuen Programmen ist nach wie vor mein Schicksal.

Das war nicht immer so, denn begonnen hat alles ganz anders. Da waren vor 45 Jahren zwei Expeditionen des Alpenvereins Gießen nach Grönland, die Kurt Diemberger, ein mehrfach ausgezeichneter Bergsteiger und Bergfilmer filmte. Wir durften ganz einfach nur bergsteigen und mit dem Schlauchboot zwischen Eisbergen herumfahren. Oder Szenen in Gletscherspalten drehen, wobei wir allerhand riskierten, und die dann weggeworfen wurden, weil die Bekleidung nicht den Vorstelllungen des Regisseurs entsprach. Aber Schnitt, Ton und überhaupt alles machten Profis von HR und ZDF, wir bestaunten nur das Ergebnis.

Die späteren Reisen, die ich im Film festhalten sollte, sind wesentlich einfacher als jeder Computer und deren Programme. Es war ja für mich gar nicht so schwierig, in Tadschikistan mit Entwicklungshelfern elf Stunden zu einem riesigen See in 4300 m Höhe auf-zusteigen, der nach einem Felssturz auszubrechen drohte – aber das in Ton umzusetzen, das ist zum Verzweifeln.

Da war die Reise nach Japan zu einem Jubiläum unserer Lindener Partnerstadt Warabi (Vorort von Tokio) zwar an sich ungeheuer kompliziert, allein schon das Fahren mit den pünktlichen U-Bahnen. Als Landei verloren in einer zig Millionen Einwohner-Stadt!

Aber der Filmschnitt: Die Hauptakteure, unsere Lindener Feuerwehr mit berühmtem Musikzug, spielten beim Umzug zum Jubiläum so eindrucksvoll und von tausenden Japanern umjubelt, dass Schnitte schwer fielen und man das Ganze, hätte es nicht drei Stunden gedauert, ungekürzt und unbearbeitet abspielen konnte.

Das erklärt auch, warum ich im OK Gießen lieber arbeite als zu Hause. Stürzt das Programm ab (was, zugegeben, heute nur noch selten vorkommt), ist Markus oder ein anderer guter Geist (Gender korrekt: gute Geistin) zur Stelle und bügelt meine Fehler aus.

Natürlich habe ich mir auch schon ein Programm (ein gaaanz einfaches) auf meinen Computer in Linden gespielt. Aber ich bin Analphabet, wenn ich mehr als drei Seiten Gebrauchsanweisung lesen soll. Und dieses angeblich primitive, für Anfänger und Dummköpfe geeignete Programm hat läppische 517 Seiten Einführung und Anweisung als PDF. Geht´s noch?

So ist im Laufe der Jahre mit Hilfe der Mitarbeiter des OK Gießen, denen ich hier auch mal danken muss, eine ziemliche Anzahl Filme entstanden, und sie wurden sogar gesendet. Natürlich können Sie jetzt sagen: Von dem schau ich mir ganz sicher keinen Film an. Müssen Sie ja auch nicht – aber vielleicht sollten Sie es trotzdem tun.

Quelle: MOK-Bote – Ausgabe 75 (Juli/August 2015)

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