Am 19. April 2016 wurde die langjährige Beauftragte der LPR Hessen für Medienprojektzentren Offener Kanal offiziell in den Ruhestand verabschiedet. Die vier hessischen MOK-Standorte blicken in der aktuellen Ausgabe von MOK aktuell zurück auf die Zusammenarbeit mit Angelika Jaenicke.
OK-Grundgedanken und Tugenden
Natürlich sind es immer die gleichen Dinge, die mir zuerst einfallen, wenn ich an Frau Jaenicke denke. Die kurz angebundenen E-Mails, auf die ich genauso knapp geantwortet habe. Die genau vorbereiteten Besprechungen und die handschriftlichen Protokolle. Und natürlich, dass sie nach dem Tod von Helmut Schmidt der letzte Mensch ist, der in meinem Büro noch offiziell rauchen darf. Aber da ist mehr.
Mit dem Ruhestand von Frau Jaenicke geht etwas zu Ende, das über gewisse Sekundärtugenden wie Ordnungsliebe, Pünktlichkeit, Korrektheit hinaus reicht. Es waren ja nicht nur diese Eigenschaften, die unsere Zusammenarbeit in den letzten zwanzig Jahren geprägt haben. Genauso stark – und manchmal starr – stand Frau Jaenicke für die Grundsätze unserer Arbeit ein. Zum Beispiel für den Grundgedanken der Offenen Kanäle, einen Ort zu schaffen, wo Menschen gleichberechtigt mit Medien arbeiten und lernen können. Wo ihnen selbst die Entscheidung überlassen wird, wie sie das tun wollen. Das heißt kein pädagogisches Ziel zu formulieren, sondern auf ein inneres Entwicklungsbedürfnis und ein gegebenes soziales Verhalten zu vertrauen. Dies verweist deutlich auf die Entstehungszeit der Offenen Kanäle in den siebziger und achtziger Jahren. Dass Menschen sich verantwortungsvoll verhalten, wenn man sie wie verantwortungsvolle Wesen behandelt, dass sie ihr Wissen schon in sich tragen und, wenn man ihnen die Freiheit lässt, entdecken werden. (Dass ich hier nicht von medienspezifischem Wissen spreche, sollte klar sein. Das zu vermitteln, war immer die Aufgabe der Mitarbeiter der Offenen Kanäle). Dass alleine das öffentliche Handeln genug soziale Kontrolle ist – das machte und macht die besondere Haltung der Offenen Kanäle und von Frau Jaenicke aus.
Dass diese Haltung nicht nur für die Inhalte unserer Arbeit galt, sondern auch für die Art, wie sie uns, ihre Mitarbeiter, behandelte, rechne ich ihr hoch an. Klare Regeln, aber innerhalb dieser Regeln eine große Freiheit, selbst Entscheidungen zu treffen, schafften die Motivation, Verantwortung zu übernehmen, immer wieder Neues auszuprobieren, aus Freude an der Arbeit gute Ergebnisse zu erbringen. Ob mit dem Ruhestand von Frau Jaenicke diese Haltung verloren gehen wird, muss sich zeigen. Ich glaube es nicht. Dazu sind wir viel zu stark von ihr geprägt. Warum sollten wir plötzlich beginnen, unsere Nutzer als defizitäre Wesen zu behandeln, denen Vernunft beigebracht werden muss? Schließlich durften wir so viele Jahre erleben, dass es der Vorschuss an Vertrauen ist, der Menschen motiviert zu lernen und sich zu entwickeln. Ich denke, das ist es, was von Frau Jaenicke bleiben wird: Ein altmodisch wirkendes Konzept, das hervorragend funktioniert.
Aufgeschrieben von Rolf Strohmann, Leiter MOK Fulda.
Die Mutter der Offenen Kanäle
Der 1. September 1995, mein erster Tag im Offenen Kanal Gießen. Stunde Null. Wir treffen uns in den ziemlich verschlissenen, fast leeren Räumen des ehemaligen Gießener Ordnungsamts, die dem OK für die nächsten Monate als Übergangsdomizil dienen sollen. Wir, das sind meine zwei neuen Mitarbeiter, Frau Jaenicke und ich.
Das Internet war damals zwar schon erfunden, aber weit davon entfernt, für den Normalbürger als Informationsquelle nutzbar zu sein. Somit hatte ich eher rudimentäre Vorstellungen davon, was mich in meinem neuen Job erwarten würde. Das triste Ambiente, in dem nun unsere erste Sitzung auf wackligen Stühlen und an einem maroden Tisch stattfand, schürten gewisse Zweifel an meiner Entscheidung.
Ja, es war ein kleiner Aufbruch ins Ungewisse für mich. Zum Glück aber war eine Person im Raum, die diese Zweifel schnell verfliegen ließ: Angelika Jaenicke, damals noch Leiterin des OK Kassel und später Beauftragte für alle Offenen Kanäle in Hessen, von denen Gießen ja der zweite war. Man muss sie wohl persönlich kennen, um nachvollziehen zu können, wie sie mit ihrer ruhigen aber bestimmten Art den weiteren Weg skizzierte und auf alle Fragen die richtige Antwort wusste. Hier war jemand, der Offenen Kanal aus Überzeugung „lebte“ und dessen Erfahrung für unsere Einrichtung unverzichtbar sein sollte. Es war einfach ein gutes Gefühl, jemanden wie sie als Vorgesetzte zu haben. Das war vor über 20 Jahren … und obwohl sich der Offene Kanal Gießen recht schnell freigestrampelt hatte, ist Frau Jaenicke für mich immer das geblieben, was sie von Anbeginn auszeichnete: Die Helferin in der Not, die Ratgeberin in schwierigen Fällen, Beschützerin und Vermittlerin in Krisen und die Lotsin in unruhigen Gewässern. Was ich besonders an ihr schätze, ist ihre ausgeglichene und zugleich ausgleichende Art sowie ihr nimmer müde werdender Optimismus und die Energie bei der Gestaltung und Entwicklung der Bürgermedien. Kein Wunder, dass „Mutter Offener Kanäle in Hessen“ deshalb für mich (wohl nicht nur für mich) zum Synonym für Frau Jaenicke geworden ist. Jetzt geht sie in ihren wohlverdienten Ruhestand. Ich bin ganz sicher, dass sie, bei aller Freude über mehr Freizeit und Ruhe, nicht ohne gemischte Gefühle von Bord geht. Denn welche Mutter lässt schon gerne ihre Kinder im Stich? Vielleicht sollte sie trösten, dass es nicht jedem vergönnt ist, am Ende seiner beruflichen Laufbahn auf ein derart erfolgreiches und nachhaltiges Wirken zurückblicken zu können. Die vier Offenen Kanäle in Hessen wären ohne sie nicht das, was sie heute sind. Ich möchte mich, auch im Namen meines Teams, ganz herzlich für die immer angenehme und fruchtbare Zusammenarbeit bedanken. Ich wünsche Frau Jaenicke, dass sie nun Zeit und Muße für viele Dinge findet, die all die Jahre zu kurz kommen mussten. Verdient hat sie es sich ohne Zweifel. Und ganz ohne Zweifel werden wir sie vermissen. Denn die Offenen Kanäle in Hessen und Frau Jaenicke – das ist doch irgendwie ein und dasselbe.
Aufgeschrieben von Wilhelm Behle, Leiter MOK Gießen.
Eine Extrawurst, bitte!
Das MOK-Rhein-Main-Team sagt: Adieu!
Liebe Frau Jaenicke,
der Standort Offenbach war immer in Bewegung und gut für eine Extrawurst. Vielleicht lag das an der Nähe zu Frankfurt. Frankfurter Würstchen und Rinds-wurst haben hier eine lange Tradition. Vielleicht war es aber auch nur Zufall oder Fügung oder ein Zeichen für etwas. Offenbach, das jedenfalls hat mir mein Team erzählt, war immer etwas anders. Sei es nun das Logo mit dem mittlerweile wieder in Mode gekommenen Farbverlauf, die 1A-Lage mit dem gut sortierten Erotik-Shop im Eingangsbereich oder den verschiedenen Live-Sendungen eines Produzenten, der universelle Lebensberatungen in das Programm des Offenen Kanals integrierte. Offenbach war über die Jahre ohne Zweifel sehr im Wandel und hat Ihnen sicherlich das eine oder andere graue Haar beschert. Mittlerweile haben wir uns als MOK Rhein-Main jedoch sehr gut positioniert im pulsierenden und kreativen Rhein-Main-Gebiet und ich hoffe, dass Sie uns in guter Erinnerung behalten. Ruhestand für Sie heißt nun: Zeit fürs Private. Zeit zum Lesen. Zeit für den Garten. Zeit für sich. Wir wünschen Ihnen alles erdenklich Gute und sagen: Vielen Dank für Ihr Vertrauen und Ihre Unterstützung! Bei Problemen waren Sie immer für uns da und auch für einen Standdienst beim jährlichen Frankfurter Museumsuferfest waren Sie sich nicht zu schade. Einen Sonnenbrand haben Sie damals in Kauf genommen. Vergessen Sie uns nicht und vielleicht denken Sie bei der nächsten Frankfurter, die in NRW ja als Wiener verkauft wird, an uns. Die Grillsaison jedenfalls ist eröffnet!
Aufgeschrieben von Nadine Tepe, Leiterin MOK Rhein-Main.
Vom Festhalten und Loslassen
Eine typische Seminar- oder Workshop-Situation: Während der überwiegende Teil der TeilnehmerInnen mehr oder weniger interessiert die Ausführungen des Referenten über sich ergehen lässt, notiert eine Teilnehmerin fleißig mit. Den Kugelschreibern mit LPR- oder OK-Logo wird keine Verschnaufpause gegönnt, die Notizblöcke füllen sich unaufhörlich. Möglichst alle (wesentlichen) Ausführungen sofort festhalten und dokumentieren und dabei den digitalen Verlockungen von Smartphone, Tablet oder Laptop erfolgreich widerstehen: Bei Angelika Jaenicke sind handschriftliche Bemerkungen und Notizen als Gedächtnistraining, gezielte Informationsverarbeitung und fester Bestandteil der Büroorganisation miteinander vereint. Der Weg zum „papierlosen“ Büro sieht zwar anders aus, für uns MOK-Mitarbeiter bietet der Zugang zu einem Büro mit unzähligen Ordnern aber einen großen Vorteil. Alle wichtigen Notizen finden sich in Zusammenfassungen, Vermerken oder Rundbriefen wider und sind Grundlage eines umfangreichen Archivs, übersichtlich strukturiert und chronologisch geordnet. Auch eine ansonsten weitverbreitete „Protokoll-Phobie“ war Angelika Jaenicke fremd. Der Widerstand gegen die Protokollführung ist ja durchaus nachvollziehbar. Es handelt sich hierbei in der Tat um einen undankbaren Job. Der „Protokollant“ muss schließlich
A) während der gesamten Besprechung seine Aufmerksamkeit dem Notieren von Statements, Beschlüssen und Verantwortlichkeiten widmen,
B) dabei das jeweilige Anliegen der Redner erfassen – egal, wie ungeschickt dessen Ausdrucksweise sein mag, wie inkonsequent die Veranstaltungsleitung ist und wie undiszipliniert die Teilnehmer sind, und schließlich noch
C) nach dem Meeting in Extra-Arbeit aus „hingekritzelten“ Aufzeichnungen eine zutreffende und sinnvolle Zusammenfassung in präsentabler Form herstellen.
Für Angelika Jaenicke waren ganz andere Faktoren entscheidend. Gut verfasste Protokolle bilden langfristig die wesentliche Grundlage von Unternehmens- und Verbandsgeschichte und können unverzichtbare Quellen für entsprechende Chroniken sein. Für Nicht-Anwesende sind diese Niederschriften neben den eher zufälligen mündlichen Überlieferungen von Teilnehmern die einzige Möglichkeit, sich ein Bild vom Stand der Dinge zu verschaffen. Insofern sind wir Frau Jaenicke sehr dankbar für ihre Bereitschaft, dieses ungeliebte Amt sehr viel öfter als nötig übernommen zu haben. Viele Jahre alles festhalten, jetzt kann sie endlich auch mal loslassen. Es sei ihr von Herzen gegönnt, eine neue Ära zu beginnen und sich hin und wieder lächelnd die Frage zu stellen, wen es denn bei dieser oder jener Besprechung „erwischt“ hat.
Aufgeschrieben von Armin Ruda, Leiter MOK Kassel.